Science Fiction Almanach 1981
Ursula K. Le Guin
GQ
Ich bin der Ansicht, daß es wunderbar ist, was Dr. Speakie erreicht hat. Er ist ein wunderbarer Mann. Ich bin überzeugt davon, daß die Menschen Überzeugungen brauchen. Wenn ich meine Überzeugung nicht hätte – ich weiß wirklich nicht, was dann passieren würde.
Und wenn Dr. Speakie nicht wirklich von seiner Arbeit überzeugt gewesen wäre, hätte er unmöglich das erreichen können, was er erreicht hat. Woher hätte er dann seinen Mut nehmen sollen? Das, was er erreicht hat, beweist seine echte Überzeugung.
Es gab eine Zeit, als eine Menge Leute versuchten, ihn in Frage zu stellen. Sie sagten, er sei machthungrig. Das war niemals richtig. Er wollte von Anfang an nur den Menschen helfen und eine bessere Welt schaffen. Die Leute, die ihn machthungrig und einen Diktator nannten, waren genau die gleichen, die früher gesagt hatten, daß Hitler verrückt sei und Nixon verrückt sei, daß alle Führer in der Welt verrückt seien und der Rüstungswettlauf verrückt sei und unser Mi ß brauch der Rohstoffe verrückt sei und die gesamte Kultur und Zivilisation der Welt verrückt und selbstmörderisch sei. Das sagten sie ständig. Und das sagten sie über Dr. Speakie. Er hat aber doch mit der ganzen Verrücktheit Schluß g e macht, oder etwa nicht? Also hat er die ganze Zeit recht g e habt, und er hat auch damit recht gehabt, von seinen Übe r zeugungen überzeugt zu sein.
Als ich meine Stellung bei ihm antrat, war er noch Leiter des Psychometrischen Büros. Ich war bei der UNO beschä f tigt, und als die Weltregierung an die Macht kam, wurde von ihr das UNO-Gebäude in New York übernommen. Ich wu r de in den fünfunddreißigsten Stock versetzt und als Chefs e kretärin in Dr. Speakies Büro eingestellt. Ich wußte schon, daß dies ein sehr verantwortungsvoller Posten war, und die ganze Woche, bevor ich meine neue Stellung antrat, war ich ganz aufgeregt. Ich war gespannt darauf, Dr. Speakie ke n nenzulernen, weil er natürlich schon damals berühmt war. Montagmorgen genau um Punkt neun war ich zur Stelle, und als er hereinkam, war das wunderbar. Er sah so freun d lich aus. Man merkte, daß er immer an die schwere Veran t wortung dachte, die auf ihm lastete, aber er sah so gesund und lebensfroh aus, und seine Schritte waren so beschwingt – ich dachte immer, er ging, als hätte er einen Gummiball in seinen Schuhspitzen. Er lächelte mir zu und schüttelte mir die Hand und sagte in seiner freundlichen, vertrauenerwe c kenden Stimme: „Ah, Sie sind bestimmt Mrs. Smith! Von Ihnen habe ich schon enorm viel Gutes gehört. Wir werden hier glänzend zusammenarbeiten, Mrs. Smith!“
Später nannte er mich natürlich bei meinem Vornamen.
Im ersten Jahr waren wir hauptsächlich mit Information beschäftigt. Das Präsidium der Weltregierung und alle Mi t gliedstaaten mußten vollständiges Informationsmaterial über Inhalt und Zielsetzung des GO-Tests erhalten, bevor die e i gentliche Durchführung ins Auge gefaßt werden konnte. Das war auch für mich gut, denn durch die Vorbereitung dieses ganzen Informationsmaterials konnte auch ich mich genauestens darüber informieren. Beim Diktat informierte ich mich oft aus Dr. Speakies eigenem Mund. Im Mai war ich schon ‚Expertin’ genug, um die grundlegende ‚ Inform a tion zum GQ-Test’ nur mit der Hilfe von Dr. Speakies Not i zen selbst zusammenzustellen. Die Arbeit war ungeheuer faszinierend. Sobald ich damit anfing, den Plan für den GQ-Test zu verstehen, fing ich auch an, davon überzeugt zu sein. Das galt auch für die anderen Sekretärinnen und für das g e samte Büro. Dr. Speakies Überzeugung und wissenschaftl i che Begeisterung waren ansteckend. Wir mußten natürlich von Anfang an jedes Vierteljahr den Test ablegen, und ma n che Sekretärinnen waren nervös, bevor sie ihn ablegten, aber ich nie. Es war so offensichtlich, daß der Test richtig war. Wenn man unter fünfzig blieb, dann war es schön zu wissen, daß man gesund war, aber selbst, wenn man über fünfzig kam, war das auch in Ordnung, denn dann konnte man sich helfen lassen. Außerdem ist es sowieso immer am besten, wenn man die Wahrheit über sich selbst kennt.
Sobald der Informationsdienst glatt lief, wandte Dr. Speakie sein Hauptaugenmerk der Einrichtung der Auswe r tungsausbildung und der Planung der Strukturisierung der Heilungszentren zu, nur daß er diesen Namen änderte und sie GQ-Nivellierungszentren nannte. Selbst damals schien die Aufgabe groß, die da vor uns lag.
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