Science Fiction Anthologie Band 3 - Die Vierziger Jahre 1
geschrieben, die ihn nach Stanley G. Weinbaum zum wichtigsten Erneuerer der SF der dreißiger Jahre machten. Erzählungen wie „Twilight“ (1935) oder „Who Goes There“ (1938) hinterließen einen starken Eindruck bei der zeitgenössischen Leserschaft und stehen auch heute noch hoch im Kurs, was zahlreiche Polls beweisen. Nach seiner Übernahme von „ASF“ wurde seine eigene Storyproduktion kleiner und versiegte schließlich ganz. Statt dessen konzentrierte er sich auf die Leitartikel im Magazin, in denen er auf die neuesten wissenschaftlich-technischen Entwicklungen einging und die Science Fiction definierte. Letzteres geschah natürlich auch in Diskussionen mit seinen Autoren. Campbell verhielt sich in seiner Rolle als Herausgeber nicht passiv, er wirkte auf seine Autoren ein, gab Ideen an sie weiter, beeinflußte sie. Die ortsansässigen New Yorker Schriftsteller berichteten von langen Unterhaltungen mit ihm, den Auswärtigen schrieb er Briefe, deren Länge oft die der Stories übertrafen, die aus diesen Briefwechseln resultierten. So gehen die Grundideen vieler bekannter Stories mit auf ihn zurück, etwa die drei Robotgesetze, die später ihren Teil zu Isaac Asimovs Popularität beitrugen: 1. Ein Robot darf kein menschliches Wesen verletzen oder durch Untätigkeit gestatten, daß einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird.
2. Ein Robot muß den ihm von einem Menschen gegebenen Befehlen gehorchen, es sei denn, ein solcher Befehl würde mit Gesetz Eins kollidieren.
3. Ein Robot muß seine Existenz beschützen, solange dieser Schutz nicht mit Gesetz Eins oder Zwei kollidiert.
Darüber hinaus gab Campbell den Anstoß zu so bekannten Erzählungen wie Asimovs „Nightfall“ oder Leinsters „First Contact“ (die in diesem bzw. im zweiten Band über die SF der vierziger Jahre enthalten sind), und Robert A. Heinleins Roman „Sixth Column“ beruht sogar ganz auf einer unveröffentlicht gebliebenen Kurzgeschichte Campbells.
Eine seiner Hauptforderungen an die Autoren war, daß deren Romane und Erzählungen in sich logisch sein mußten. Die Charaktere sollten vor allem glaubhaft dargestellt werden, während die Hypothese, auf der die ganze Story beruhte, beliebig „verrückt“ sein durfte, ohne allerdings die Grenzen zur reinen Phantasie zu überschreiten. In „ASF“ wurde schließlich nur Science Fiction publiziert, aber Science Fiction war für John W. Campbell jr. ein weites Feld. Wie Brian W. Aldiss und Harry Harrison im Vorwort ihrer zweibändigen Anthologie „The Astounding-Analog Reader“ (1972) bemerken, sah er sie nicht als Untergruppe der allgemeinen Literatur, wie das normalerweise üblich ist. Im Gegenteil: Für ihn war Science Fiction die Literatur, „… die alle Zeiten und Räume umfaßt, von der Geburt des Universums … bis zu seinem Hitzetod.“ Innerhalb dieses universellen Spielraumes nahm für ihn dagegen die englische Literatur nur „… einen mikroskopisch kleinen Teil des Ganzen ein“ und war aus diesem Grund der SF untergeordnet.
Diese Sicht der Dinge kommt in vielen Geschichten des „Golden Age“ zum Ausdruck. Das Spielfeld der Autoren ist die Ewigkeit, ihr Leitmotiv die Naturwissenschaften. Sie sahen die Menschheit als eine auf Wissenschaft und Technik bauende Spezies und versuchten deren Bestimmung und Schicksal in Raum und Zeit zu ergründen. Aber Campbell wollte die Naturwissenschaften nicht zum Selbstzweck erheben, er war sich sehr wohl darüber bewußt, daß gute Stories auch passabel geschrieben sein mußten. Die Idee allein, umgeben mit einem wissenschaftlichen Mäntelchen, machte noch keine Spitzenstory aus. Er wies darauf hin, daß „… eine Geschichte – ob nun SF oder nicht – eine Geschichte über Menschen ist … In der Science Fiction früherer Jahre dominierte die Maschine oder die große Idee. Die heutige Leserschaft … will Geschichten über Leute, die in einer Welt leben, wo die Idee oder Maschine den Hintergrund darstellt. Aber es ist der Mensch, der zählt, nicht die Idee oder die Maschine.“ Dennoch zielte Campbell mit „ASF“ auf ein naturwissenschaftlichtechnisch orientiertes Käuferpublikum, auf Ingenieure, Techniker, Akademiker. Er legte sehr großen Wert darauf, daß wissenschaftliche Beschreibungen und Theorien akkurat und plausibel abgehandelt wurden. Die Hypothesen, die der Story zugrundeliegenden Ideen durften ruhig ausgefallen sein, und auch die wildesten Spekulationen durften angestellt werden, nur mußte der Handlungsablauf
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