Scream Street - Das Herz der Mumie
verdrängten seine eigenen Zähne. Dies war wieder eine der vielen Teilverwandlungen, die er seit seiner Ankunft in der Scream Street erlebte.
Mit seinem Werwolfkopf schob Luke seine lange raue Zunge vor und sägte damit an den Spinnweben über seinem Gesicht, so wie ein Häftling mit einer Feile an den Gitterstäben.
Sobald seine Schnauze frei war, schnappte Luke nach den Fäden, die seinen Arm fesselten.
Dann hämmerte er mehrmals hintereinander mit der Faust gegen einen der Holzbalken, um seinen Arm ganz zu befreien. Kurzzeitig hörten alle Spinnen mit dem Weben auf und schauten ihn an. Aber kaum war sein Arm frei, machten die Tierchen Klick-Geräusche und gingen wieder an die Arbeit.
Luke blickte sich im Speicher nach seinen Freunden um und entdeckte, wie Cleo unter mehreren Schichten glitzernder Spinnfäden zappelte. Rhesus’ Lage sah nicht viel anders aus. Der Vampir war am ganzen Körper in Spinnweben eingewickelt, und mehrere Dutzend Spinnen waren gerade damit beschäftigt, sein Gesicht einzuspinnen. Als sie seine Augen verschwinden ließen, senkte Rhesus schützend die Lider und blickte zu Boden.
Rasch drehte sich Luke zur Seite und
zerrte an den Fäden, die ihn an der Taille gefangen hielten. Dann schob er eine Hand in Rhesus’ Spinnwebenhülle und in seinen Umhang hinein.
Mit einem triumphierenden Heulen zog er die brennende Fackel aus dem Umhang seines Freundes und hielt sie an Cleos Spinnwebenhülle. Als sich der silberne Kokon auflöste und schrumpfend und verwirbelnd verbrannte, huschten die Spinnen eilig mit Klickgeräuschen weg.
Nachdem Cleos Gefängnis auf diese Weise verschwand, wandte sich Luke Rhesus zu. Die Spinnen hielten sich in sicherer Entfernung vom Teil-Werwolf. Ihre Augen glitzerten im flackernden Licht.
Als Rhesus wieder genügend Bewegungsfreiheit am Arm hatte, riss er sich selbst das verbleibende Gewebe vom Leib und erreichte Cleo gerade noch, als sie zu Boden
ging. Die Mumie öffnete die Augen und zwang sich zu einem Lächeln.
Luke verbrannte das Seidengewebe an seinen Beinen, während sich sein Gesicht langsam wieder vom Werwolf zum Menschen verwandelte. Als er vollständig befreit war, tauchte er mit einem großen Satz nach vorne die Fackel mitten in die Spinnenansammlung hinein. Mit wilden Klicklauten trippelten sie rasch zur Speicherluke, um sich in Sicherheit zu bringen.
»Sollten wir sie nicht aufhalten?«, fragte Cleo, die sich zittrig aufrappelte. »Sie sollen doch Herus Ruhestätte bewachen.«
»Du willst sie echt wieder zurückholen?«, meinte Rhesus. »Und außerdem gibt es hier nichts mehr zu bewachen, wenn wir erst mal sein Herz haben.«
»Woher willst du wissen, dass es sich beim Relikt um sein Herz handelt?«, fragte Luke.
»Na, das stand doch im Hinweis.«
Luke zog Stolpersteins Geschichten aus der Scream Street aus seiner Tasche und hielt die Fackel über die Seite mit dem Hinweis.
Oberhalb vom stillen Raume
schlummert Heru tief im Traume.
Schwarze Spinnen bewachen gelenk
das kardiologische Mumiengeschenk.
»Kardiologisch heißt, dass es mit dem Herzen und den Adern drum herum zu tun hat«, erklärte der Vampir. Als Luke und Cleo ihn ungläubig anstarrten, fügte er hinzu: »Was ist? Ist es so verkehrt, wenn man in der Schule mal aufpasst?«
»So«, sagte Luke, »und wo ist nun die Mumie?« Die Fackel vor sich haltend, ging er tiefer in den schmuddeligen Speicher hinein.
Bald versperrte ihm ein weiteres Spinnennetz den Weg, und er entflammte es mit der Spitze der Fackel. Als es sich langsam auflöste, bemerkte Luke plötzlich zwei Augen, die ihn durchdringend anstarrten. Erschrocken sprang er zurück. Er stolperte über eine Kiste und fiel mit einem lauten Poltern zu Boden. Dabei riss er mit dem Fuß noch mehr vom Spinnennetz weg, so konnte man erkennen, dass das Gesicht in den Deckel eines goldenen Sarkophags eingraviert war, eingerahmt von lauter Hieroglyphen. »Hey«, sagte er und hielt die Fackel hoch. »Ich glaube, ich habe sie gefunden.«
Rhesus starrte auf die goldene Gestalt. »Dann lasst uns das Herz finden und von hier verschwinden, bevor die Packer rausfinden, dass wir hier oben sind.« Er machte sich daran, Kisten und Schachteln von dem Sarkophag wegzuziehen.
Luke quetschte sich durch die Lücke, die Rhesus frei geräumt hatte, ging zum Sarg und brannte die restlichen Spinnenfäden weg. Anschließend klemmte er die Fackel in einem der Deckenbalken fest. »Na, dann wollen wir mal!« Er ließ seine Finger in den schmalen Spalt zwischen
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