Scream Street - Das Herz der Mumie
sagte es.
»Na und?«, fuhr Luke es an und zog das neue T-Shirt über. »Jeder träumt mal.«
»Wohl wahr«, bestätigte das Gesicht ruhig. »Aber nicht jeder verwandelt sich dabei in einen Werwolf.«
Luke folgte dem Blick des Gesichts und entdeckte tiefe Kratzer an seiner geschlossenen Zimmertür, wie von Krallen. Seine Fingerspitzen waren blutig, und in einigen steckten spitze Splitter. »Bin ich hier rausgekommen?«, fragte er. »Meine Mum und mein Dad …«
»Sie haben die Tür abgesperrt, als sie gehört haben, wie du im Schlaf gejault hast. Sie sind in Sicherheit.«
Luke verbarg den Kopf in den wunden Händen.
Samuel Stolperstein, Verfasser von Stolpersteins Geschichten aus der Scream Street , betrachtete den Jungen traurig vom Vorderumschlag
seines Lebenswerks aus. Indem er mithilfe eines Zaubers seine sterbende Seele mit den Seiten seines Buchs verschmolzen hatte, konnte er nach seinem körperlichen Tod zwar weiterhin die Anwohner dieser ungewöhnlichen Gemeinde erforschen, aber leider bei Bedarf keine tröstende Schulter mehr zum Ausweinen bieten.
»Möchtest du über deinen Traum reden?«, fragte er.
»Es war derselbe wie immer«, entgegnete Luke achselzuckend. »Ich bin draußen auf der Straße und kämpfe gegen einen anderen Werwolf.«
»Ist noch jemand dabei?«
»Cleo«, antwortete Luke. »Und Rhesus, der gegen Sir Otto kämpft.« Er stand auf und beobachtete einen Augenblick lang, wie der Regen gegen die Fensterscheibe schlug. »Was hat das zu bedeuten?«
»Vielleicht solltest du besser deinen Vampirfreund fragen, warum er sich mit dem Verwalter der Scream Street schlagen wollen würde?«, schlug Stolperstein vor.
Luke lachte schnaubend. »Mir fallen hundert Gründe ein, warum er Feist angreifen wollen würde. Es wäre schwierig, nur einen einzigen rauszupicken.«
Stolperstein lächelte. »Mit seiner Abneigung gegen den Mann steht Master Negativ nicht alleine da.«
»Meine Eltern sehen dem Kampf zu«, erzählte Luke weiter, »aber ich bemerke sie erst, als ich gerade kurz davor bin, den anderen Werwolf zu töten.«
»Sicher steht der Traum für nichts weiter als deinen Widerwillen, dass sie dich in deiner echten Gestalt sehen.«
» Meiner echten Gestalt ?«, sagte Luke. »Das hier ist meine echte Gestalt: ein ganz normaler
Junge! Dieses Etwas , in das ich mich verwandele, bin nicht ich!«
»Lykanthropie kann auf eine lange und edle Historie verweisen«, erklärte Samuel Stolperstein. »Viele Familien sind stolz auf ihre Werwolf-Tradition.«
»Meine nicht!«, entgegnete Luke und hielt dem silbernen Gesicht seinen verletzten Zeigefinger hin. » Das hält meine Familie davon: Sie sperren mich ein, damit ich ihnen im Schlaf nicht die Kehle durchbeißen kann.« Er seufzte. »Ich muss mir unbedingt die Hände waschen.«
Wie Luke vermutet hatte, war seine Zimmertür noch immer zugesperrt, als er die Klinke herunterdrückte. Mit der Faust hämmerte er gegen das beschädigte Holz und versuchte, nicht auf die Krallenspuren im Lack zu schauen. »Mum! Dad! Könnt ihr mich jetzt bitte rauslassen?«
Hastiges Geflüster ertönte hinter der Tür. »Ich bin mir nicht sicher, ob das so eine gute Idee ist, Luke«, antwortete sein Dad schließlich. »Es wäre vielleicht besser, wenn du bis zum Morgen drin bleibst.«
»Aber ich muss mal ins Bad«, erklärte Luke.
»Ich habe einen Eimer in die Ecke gestellt, neben den Tisch«, sagte Mrs Watson. Das Zittern in ihrer Stimme verriet, wie nervös sie war. »Den kannst du heute Nacht benutzen.«
Luke unterdrückte den Drang, gegen die Tür zu treten, und wandte sich ab. »Ich muss hier raus!«, murmelte er und zog unter dem Bett die glänzende Goldschatulle hervor, die er dort versteckte.
Er klappte den Deckel auf und sah nach, ob die beiden Gegenstände, die er darin verwahrte - einen Vampirzahn und ein Fläschchen
mit Hexenblut - noch wohlbehalten dort lagen. Das waren die ersten beiden Relikte, die von den Gründern der Scream Street hinterlassen worden waren. Luke war auf der Suche nach allen sechs Artefakten: In ihrer Gesamtheit würden sie ihm die Kraft und Macht verleihen, eine Tür zurück in seine Welt zu öffnen und seine Eltern heimzubringen.
»Ich sehe keine Möglichkeit, wie du hier rauskommen kannst«, sagte Samuel Stolperstein. »Deine Eltern scheinen entschlossen zu sein, deine Tür nicht aufzumachen.«
Luke schloss die Schatulle wieder und schob sie unter das Bett zurück. »Tja, es gibt nicht nur einen Weg hinaus.«
Er schlüpfte in
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