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SdG 04 - Die eisige Zeit

SdG 04 - Die eisige Zeit

Titel: SdG 04 - Die eisige Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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dazu überreden, für die Dauer dieses Unternehmens Eure Hand zu halten. Doch ich muss Euch warnen: Ihn ins Freie zu schleppen, könnte sich selbst für einen Mann von Eurer Statur als Herausforderung erweisen.«
    »Habt Ihr jemals geangelt?«, fragte Grantl.
    »Geangelt?«
    »Die Fische, die nach einem alten Köder schnappen, sind jung, und sie werden auch nicht alt. Ich arbeite nun schon mehr als zwanzig Jahre als Karawanenwächter, mein Herr. Ich bin nicht mehr jung. Wenn Ihr wollt, dass jemand nach Eurem Köder schnappt, solltet Ihr woanders angeln.«
    Auf Bauchelains Gesicht erschien ein trockenes Lächeln. »Eure Worte beruhigen mich, Karawanenführer. Gehen wir weiter?«
    »Zeigt mir den Weg.«
    Sie überquerten die Straße. Ein Ziegenpfad führte sie in die Hügel. Der Karawanenlagerplatz auf dieser Seite des Flusses geriet schnell außer Sicht. Das verbrannte Gras, das der Feuersturm zurückgelassen hatte, der über dieses Land hinweggefegt war, verunstaltete jeden Hang und jeden Hügel, obwohl überall neues Grün zu sprießen begann.
    »Feuer«, bemerkte Bauchelain, während sie weitergingen, »ist lebenswichtig für die Gesundheit dieses Präriegrases. Genauso wie das Vorüberziehen der Bhederin, deren Hunderttausende von Hufen die dünne Schicht Mutterboden verdichten. Leider bedeutet die Anwesenheit von Ziegen das Ende des frischen Grüns auf diesen uralten Hügeln. Aber ich habe zuerst von Feuer gesprochen, nicht wahr, Karawanenführer? Gewalt und Zerstörung, beide sind lebenswichtig für das Leben. Findet Ihr das merkwürdig, Karawanenführer?«
    »Was ich merkwürdig finde, mein Herr, ist das Gefühl, dass ich anscheinend meine Wachstafel vergessen habe.«
    »Dann habt Ihr also früher einmal Unterricht gehabt. Wie interessant. Ihr seid doch ein Kämpfer, oder nicht? Wozu braucht Ihr dann Buchstaben und Zahlen?«
    »Und Ihr seid ein Mann der Buchstaben und Zahlen – wozu braucht Ihr dann das Breitschwert an Eurer Hüfte und das Kettenhemd?«
    »Ein unglücklicher Nebeneffekt, den die Bildung der breiten Masse mit sich bringt, ist der daraus resultierende Mangel an Respekt.«
    »Eine gesunde Skepsis, wolltet Ihr wohl sagen.«
    »Eine Geringschätzung jeglicher Autorität, um es genau zu sagen. Ihr habt vielleicht bemerkt – um Eure Frage zu beantworten –, dass wir nur mit einem einzigen, bereits etwas älteren Diener reisen und keine Wachen angeheuert haben. Sich schützen zu können, ist in unserem Beruf lebenswichtig …«
    »Und was ist das für ein Beruf?«
    Sie stiegen einen gut ausgetretenen Pfad hinunter, der sich zwischen den Hügeln hinabwand. Bauchelain blieb stehen, blickte Grantl lächelnd an. »Ihr amüsiert mich, Karawanenführer. Ich verstehe jetzt, warum Ihr in der Karawanserei einen so guten Ruf habt. Denn was Euch im Vergleich zu Euren Kollegen einzigartig macht, ist die Tatsache, dass Ihr über ein funktionierendes Gehirn verfügt. Kommt, wir sind fast da.«
    Sie umrundeten einen arg mitgenommenen Hang und erreichten den Rand eines frischen Kraters. Sein Grund bestand aus aufgewühltem Schlamm, der mit Gesteinsbrocken durchsetzt war. Grantl schätzte den Durchmesser des Kraters auf vierzig Schritt und seine Tiefe auf vier bis fünf Armlängen. Ganz in der Nähe saß ein Mann direkt an der Kante; er war ebenfalls in schwarzes Leder gekleidet, und sein kahler Schädel hatte die Farbe gebleichten Pergaments. Trotz seiner bemerkenswerten Größe erhob er sich völlig geräuschlos und drehte sich in einer einzigen fließenden, eleganten Bewegung zu ihnen um.
    »Das ist Korbal Broach, Karawanenführer. Mein … Partner. Korbal, hier haben wir Grantl; sein Name ist mit ziemlicher Sicherheit ein versteckter Hinweis auf seine Persönlichkeit.«
    Hatte Bauchelain in dem Karawanenführer Unbehagen hervorgerufen, so ließ dieser Mann mit seinem breiten, runden Gesicht, seinen von aufgedunsenem Fleisch umgebenen Augen, dem großen Mund mit den vollen Lippen, dessen Winkel leicht herabgezogen waren – einem Gesicht, das gleichzeitig kindlich und unaussprechlich monströs war –, Wellen der Furcht durch Grantl hindurchfluten. Auch diesmal war es eine völlig instinktive Reaktion, als verströmten Bauchelain und sein Partner eine Aura, die irgendwie verunreinigt war.
    »Kein Wunder, dass die Katze Herzjagen hatte«, murmelte Grantl leise vor sich hin. Er riss den Blick von Korbal Broach los und musterte den Krater.
    Bauchelain machte ein paar Schritte und stellte sich neben ihn. »Begreift

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