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SdG 04 - Die eisige Zeit

SdG 04 - Die eisige Zeit

Titel: SdG 04 - Die eisige Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Akzeptanz ihres direkt bevorstehenden Todes, dass der Knochenwerfer erschüttert war. Pran Chole stapfte durch wadenhohes Wasser und trat dann auf das sandige Ufer der Insel. Auge in Auge stand er jetzt der Jaghut gegenüber. »Was hast du mit ihnen gemacht?«, wollte er wissen.
    Die Mutter lächelte, verzog dabei die Lippen und entblößte die mächtigen Hauer. »Sie sind fort.«
    »Wo sind sie?«
    »Außerhalb deiner Reichweite, Knochenwerfer.«
    Pran Choles Stirn furchte sich noch mehr. »Dies hier ist unser Land. Hier gibt es keinen Ort, der außerhalb unserer Reichweite ist. Hast du sie etwa eigenhändig umgebracht?«
    Die Jaghut legte den Kopf ein wenig schief, musterte den Imass. »Ich habe immer geglaubt, ihr wärt euch einig in eurem Hass auf unsere Art. Ich habe immer geglaubt, dass euch Dinge wie Mitleid und Barmherzigkeit fremd sind.«
    Der Knochenwerfer starrte die Frau lange an. Dann wandte er den Blick ab, schaute an ihr vorbei, musterte den weichen Lehmboden. »Eine Imass ist hier gewesen«, sagte er. »Eine Frau. Die Knochenwerferin – « Diejenige, die ich auf meiner Geisterreise nicht finden konnte. Diejenige, die es vorgezogen hat, sich nicht finden zu lassen. »Was hat sie getan?«
    »Sie hat dieses Land erforscht«, antwortete die Jaghut. »Und sie hat ein Tor gefunden. Weit im Süden. Es ist ein Tor zu Omtose Phellack.«
    »Ich bin froh«, sagte Pran Chole, »dass ich keine Mutter bin.« Und du, Weib, solltest froh sein, dass ich nicht grausam bin. Er machte eine Geste. Schwere Speere flogen an dem Knochenwerfer vorbei. Sechs lange, geriefte Spitzen aus Feuerstein bohrten sich in die Brust der Jaghut. Sie taumelte und brach dann unter dem Geklapper der Speerschäfte zusammen.
    So endete der dreiunddreißigste Jaghut-Krieg.
    Pran Chole wirbelte herum. »Wir haben keine Zeit für einen Scheiterhaufen. Wir müssen so schnell wie möglich nach Süden ziehen.«
    Cannig Tol trat vor, während seine Krieger sich ihre Waffen zurückholten. Der Clanführer sah den Knochenwerfer aus zusammengekniffenen Augen an. »Was beunruhigt dich?«
    »Eine abtrünnige Knochenwerferin hat die Kinder mitgenommen.«
    »Nach Süden?«
    »Nach Morn.«
    Fragend zog der Clanführer die Augenbrauen zusammen.
    »Die Abtrünnige wollte die Kinder dieser Frau retten. Sie glaubt, der Riss ist ein Tor zu Omtose Phellack.«
    Pran Chole sah, wie das Blut aus Cannig Tols Gesicht wich. »Geh nach Morn, Knochenwerfer«, flüsterte der Clanführer. »Wir sind nicht grausam. Geh. Sofort.«
    Pran Chole verbeugte sich. Das Tellan-Gewirr hüllte ihn ein.
     
    Eine winzige Entfaltung ihrer Macht sandte die beiden Jaghut-Kinder aufwärts, in das klaffende Maul des Tors. Das Mädchen schrie kurz auf, ehe sie es erreichte; es klang wie ein sehnsüchtiges Schluchzen nach der Mutter, von der sie glaubte, dass sie auf der anderen Seite wartete. Dann verschwanden die beiden kleinen Gestalten im Tor.
    Die Knochenwerferin seufzte und starrte weiter nach oben, suchte nach einem Hinweis, dass irgendetwas schief gegangen war. Doch anscheinend hatten sich weder Wunden von neuem geöffnet, noch fegte eine Böe wilder Macht aus dem Portal. Sah es irgendwie anders aus? Sie konnte es nicht mit Sicherheit sagen. Dies hier war Neuland für sie; hier verfügte sie nicht über jene tief in den Knochen steckende Empfindsamkeit, die sie ihr ganzes Leben lang in den Landen des Tarad-Clans, im Herzen des Ersten Imperiums, gekannt hatte.
    Das Tellann-Gewirr öffnete sich hinter ihr. Die Frau wirbelte herum, war kurz davor, sich in ihre Wechselgänger-Gestalt zu verwandeln.
    Ein Polarfuchs sprang hervor, wurde langsamer, als er sie sah, und verwandelte sich dann zurück in seine Imass-Gestalt. Sie sah einen jungen Mann vor sich, der den Pelz seines Totem-Tieres um die Schultern und ein zerkratztes Geweih auf dem Kopf trug. Sein angespannter Gesichtsausdruck zeigte Furcht, seine Blicke waren jedoch nicht auf sie, sondern auf das Portal hinter ihr gerichtet.
    Die Frau lächelte. »Ich grüße dich, Kamerad Knochenwerfer. Ja, ich habe sie hindurchgeschickt. Sie sind außerhalb deiner Reichweite, sind deiner Rache entzogen, und das gefällt mir.«
    Die gelbbraunen Augen richteten sich auf sie. »Wer bist du? Zu welchem Clan gehörst du?«
    »Ich habe meinen Clan verlassen, doch einst habe ich zu den Logros gehört. Mein Name ist Kilava.«
    »Du hättest dich letzte Nacht von mir finden lassen sollen«, sagte Pran Chole. »Dann hätte ich dich wahrscheinlich davon

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