SdG 04 - Die eisige Zeit
König
ein Geist von den dunklen Schlachtfeldern.
Und jetzt schallt das Horn
und diese in Grau gehüllte Dämmerung
ruft das verzweifelte Heer
zum Krieg, zum Krieg,
und dem Wahn des Ansturms
ungebetener Erinnerungen an die eisige Zeit.
Die Ballade vom Ersten Schwert
Irig Thann Delusa (geb. 1091)
Z
wei Tage und sieben Längen durch schwarze, allgegenwärtige Aschewolken, und auf der Telaba von Lady Missgunst zeigte sich nicht ein einziger Fleck. Grollend zog Toc der Jüngere das verkrustete Stück Stoff vom Gesicht und stellte langsam seinen schweren Lederrucksack ab. Er hätte nie gedacht, dass er einmal den Anblick einer ausgedehnten, nichts sagenden, grasbestandenen Ebene willkommen heißen würde, doch nach all der Vulkanasche kam ihm die sich nach Norden erstreckende wogende Grasfläche vor wie das Paradies.
»Ist dieser Hügel hier geeignet, um ein Lager aufzuschlagen?«, fragte Lady Missgunst, wobei sie nahe an ihn herantrat. »Er wirkt so furchtbar ungeschützt. Was ist, wenn es auf der Ebene da vorne Banditen gibt?«
»Zugegeben, Banditen sind normalerweise nicht besonders klug«, erwiderte Toc, »aber selbst der dümmste Bandit würde zögern, bevor er es mit drei Seguleh aufnimmt. Der Wind, den Ihr hier oben spüren könnt, wird die Insekten fern halten, wenn die Nacht hereinbricht, Lady. Ich würde es nicht empfehlen, in einer Niederung zu lagern – auf keiner Grasebene der Welt.«
»Ich beuge mich Eurer Weisheit, Kundschafter.«
Er hustete und streckte sich, um die Umgebung zu mustern. »Ich kann Eure vierbeinigen Freunde nirgends sehen.«
»Ebenso wenig wie Euren knochigen Gefährten.« Sie blickte ihn aus großen Augen an. »Glaubt Ihr, sie sind in irgendein Unglück gestolpert?«
Er musterte sie nachdenklich, erwiderte jedoch nichts.
Sie hob eine Augenbraue und lächelte dann.
Toc wandte sich rasch wieder seinem Bündel zu. »Ich schlage am besten gleich die Zelte auf«, murmelte er.
»Wie ich Euch schon gestern Abend versichert habe, Toc, sind meine Diener mehr als fähig, solch prosaische Aufgaben zu erledigen. Mir wäre es lieber, wenn Ihr für die Dauer dieses großen Abenteuers einen höheren Rang einnehmen würdet als den eines einfachen Knechts.«
Er hielt inne. »Wollt Ihr, dass ich mich in heroische Posen vor dem Sonnenuntergang zur Schau stelle, Lady Missgunst?«
»In der Tat!«
»Mir war nicht klar, dass ich zu Eurer Unterhaltung existiere.«
»Oh, jetzt seid Ihr wieder verärgert.« Sie trat näher an ihn heran, legte ihm eine federleichte Hand auf die Schulter. »Seid doch bitte nicht böse mit mir. Ich kann schließlich kaum interessante Unterhaltungen mit meinen Dienern führen, oder? Und auch Euer Freund Tool ist nicht gerade eine Blüte der Geselligkeit, die von belebender Vitalität durchströmt wird. Meine beiden Hündchen sind zwar beinahe vollkommene Gefährten, da sie immer zuhören und mich niemals unterbrechen, aber manchmal sehne ich mich doch nach der Würze eines geistreichen Gedankenaustauschs. Wir beide, Toc, Ihr und ich, haben auf dieser Reise nur einander, also lasst uns Bande der Freundschaft knüpfen.«
Toc der Jüngere starrte die zusammengerollten Zelte zu seinen Füßen an und schwieg lange. Schließlich seufzte er. »Ich bin nur ein dürftiger Ersatz, was den geistreichen Gedankenaustausch angeht, Lady. Ich bin nur Soldat und sonst nichts.« Mehr noch, ich trage die Narben eines Soldaten – wer schreckt nicht zurück, wenn er mich sieht?
»Das ist keine Bescheidenheit, sondern eine Täuschung, Toc.«
Er zuckte zusammen, als er die Schärfe in ihrer Stimme hörte.
»Ihr habt eine gute Erziehung genossen, die weit über das hinausgeht, was für einen Berufssoldaten üblich ist. Und ich habe genug von Euren scharfen Wortwechseln mit dem T’lan Imass mitbekommen, um Eure Intelligenz einschätzen zu können. Was soll also diese plötzliche Scheu? Warum dieses wachsende Unbehagen?«
Ihre Hand lag noch immer auf seiner Schulter. »Ihr seid eine Zauberin, Lady Missgunst. Und Zauberei macht mich nervös.«
Die Hand wurde zurückgezogen. »Ich verstehe. Oder besser – ich verstehe nicht. Euer Freund, der T’lan Imass, wurde in einem Ritual von solcher Macht erschaffen, wie es diese Welt lange, lange Zeit nicht gesehen hat, Toc der Jüngere. Schon allein sein Steinschwert ist in einem beängstigenden Maße damit ausgestattet – es kann nicht zerbrochen werden, ja, man kann noch nicht einmal kleine Stückchen davon abschlagen,
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