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SdG 04 - Die eisige Zeit

SdG 04 - Die eisige Zeit

Titel: SdG 04 - Die eisige Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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tote Möwen, die immer noch an Tools Rucksack festgeschnallt waren.
    Es war jedes Mal ein Wunder – und manchmal auch eine Art Schock –, zu beobachten, mit welcher Geschicklichkeit die verwitterten, fast fleischlosen Hände des untoten Kriegers ihre Arbeit verrichteten. Die Hände eines Künstlers. Der T’lan Imass suchte sich eines der Obsidian-Stücke aus, hob danach einen der größeren Steine vom Strand auf und spaltete mit drei raschen Schlägen drei lange, dünne, klingenförmige Stücke von dem vulkanischen Glas ab. Ein paar weitere kräftige Schläge lieferten eine Anzahl Splitter von unterschiedlicher Größe und Dicke.
    Tool legte den Stein, der ihm als Hammer gedient hatte, und den Obsidiankern beiseite. Er suchte in den Splittern herum, nahm einen davon in die linke Hand und griff mit der Rechten nach einer der beiden Geweihhälften. Mit der Spitze der vordersten Geweihsprosse begann er, winzig kleine Splitter vom Rand des größeren Stücks abzuschlagen.
    Neben Toc dem Jüngeren seufzte Lady Missgunst. »Was für eine außergewöhnliche Geschicklichkeit. Glaubt Ihr, dass wir früher einmal – bevor wir angefangen haben, mit Metallen zu arbeiten – alle solche Fähigkeiten besessen haben?«
    Der Kundschafter zuckte die Schultern. »Scheint mir ziemlich wahrscheinlich. Nach Meinung einiger malazanischer Gelehrter ist es gerade mal fünfhundert Jahre her, dass das Eisen entdeckt wurde – das gilt zumindest für die Menschen in Quon Tali. Davor haben alle Bronze benutzt. Und vor der Bronze haben wir Kupfer und Zinn benutzt. Und davor – warum nicht Stein?«
    »Ha, ich hab’s ja gewusst, dass Ihr eine gute Erziehung genossen habt, Toc der Jüngere. Leider neigen menschliche Gelehrte dazu, ausschließlich das zu sehen, was die Menschen an Fertigkeiten entwickelt haben. Bei den Älteren Rassen war die Schmiedekunst ziemlich hoch entwickelt. So war ihnen unter anderem die Veredelung von Eisen bereits bekannt. Nehmt zum Beispiel das Schwert meines Vaters.«
    Er grunzte. »Zauberei. Magische Ausstattung. Das ersetzt den technischen Fortschritt – es ist oft ein Mittel, den Fortschritt des weltlichen Wissens zu verdrängen.«
    »Ja, natürlich Soldat, Ihr habt mit Sicherheit ganz besondere Ansichten, wenn es um Zauberei geht. Allerdings – habe ich da nicht etwas in Euren Worten gehört, das so klingt, als hättet Ihr sie auswendig gelernt? Welcher verbitterte Gelehrte – zweifellos ein gescheiterter Zauberer – hat Euch diese Sicht der Dinge vermittelt?«
    Toc musste gegen seinen Willen grinsen. »Na schön, in Ordnung. Es war allerdings kein Gelehrter, sondern ein Hohepriester.«
    »Oh, natürlich, Kulte betrachten jeden Fortschritt – sei er nun auf magischem oder auch auf weltlichem Gebiet – als potenzielle Bedrohung. Ihr müsst Euch Eure Quellen ganz genau ansehen, Toc der Jüngere, denn sonst tut Ihr nichts anderes, als die Vorurteile anderer nachzuplappern.«
    »Ihr klingt genauso wie mein Vater.«
    »Ihr hättet auf seine weisen Worten hören sollen.«
    Ja, das hätte ich tun sollen. Aber ich habe es nie getan. Verlass das Imperium, hat er gesagt. Such dir einen Ort außerhalb der Reichweite des Hofs, weit weg von all den Kommandanten und der Klaue. Und zieh den Kopf ein, mein Sohn …
    Nachdem er auch mit dem dritten und letzten Zelt fertig war, trat Toc zu Tool. In siebzig Schritten Entfernung, auf der Kuppe eines nahe gelegenen Hügels, hatte Mok die aus einem mit Tierhäuten bespannten hölzernen Rahmen bestehende Badewanne zusammengebaut. Lady Missgunst machte sich auf den Weg dort hinüber, an ihrer Seite Thurule, der den zusammengefalteten Bademantel und die Bade-Utensilien auf dem Arm trug. Der Wolf und der Hund saßen dicht neben Senu, der mit der Antilope beschäftigt war. Dann und wann warf der Seguleh den Tieren einen Brocken Fleisch zu.
    Tool hatte mittlerweile vier kleine Steinwerkzeuge fertig gestellt: ein Messer, eine Art Schaber von der Größe eines Daumennagels, ein Gerät mit einer sichelförmigen Klinge, dessen innere Schneide besonders fein ausgeführt war, und einen Bohrer oder Stanzer. Jetzt wandte er sich den ursprünglichen drei Obsidian-Splittern zu.
    Toc hockte sich neben dem T’lan Imass auf den Boden und untersuchte die fertigen Werkzeuge. »In Ordnung«, sagte er, nachdem er sie eingehend betrachtet hatte, »ich fange allmählich an, das Ganze zu verstehen. Die hier sind für die Arbeiten am Schaft und an der Befiederung, stimmt’s?«
    Tool nickte. »Die

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