SdG 04 - Die eisige Zeit
Augenbrauen hoch. »Du schickst mich auf eine solche Queste? Also wirklich, Silberfuchs. Planlose, ziellose Männer unternehmen keine Queste. Das ist etwas für großäugige Helden in epischen Gedichten. Ich glaube nicht an irgendwelche Ziele – nicht mehr. Sie sind nichts als Selbsttäuschungen. Gib mir diese Aufgabe, und du wirst tief enttäuscht werden. Genau wie der Azath.«
»Ein unsichtbarer Krieg hat begonnen, Paran. Die Gewirre selbst werden angegriffen – ich kann den Druck in den Drachenkarten spüren, auch wenn ich dazu die Hand auf eine Karte legen muss. Vielleicht … vielleicht wird eine Armee … zusammengezogen, und du – ein Soldat – bist Teil dieser Armee.«
Oh ja, so spricht Flickenseel. »Ich habe schon genug Kriege auszufechten, Silberfuchs …«
Ihre Augen glänzten, als sie zu ihm aufsah. »Vielleicht sind sie alle nur ein einziger Krieg, Ganoes Paran.«
»Ich bin kein Dujek oder Bruth – ich werde mit all diesen … diesen Feldzügen nicht fertig. Es … es zerreißt mich.«
»Ich weiß. Du kannst deine Schmerzen nicht vor mir verbergen – ich sehe sie in deinem Gesicht, und es bricht mir das Herz.«
Er schaute weg. »Außerdem habe ich Träume … ein Kind, inmitten einer Wunde. Es schreit.«
»Läufst du vor diesem Kind davon?«
»Ja«, gab er bebend zu. »Diese Schreie sind … entsetzlich.«
»Du musst auf das Kind zulaufen, mein Geliebter. Flucht wird dir das Herz verschließen.«
Er drehte sich wieder zu ihr um. Mein Geliebter – sollen diese Worte nur dazu dienen, meine Gefühle zu manipulieren? »Wer ist dieses Kind?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Vielleicht ein Opfer des unsichtbaren Krieges.« Sie versuchte zu lächeln. »Dein Mut ist schon früher auf die Probe gestellt worden, Paran, und du hast nicht versagt.«
Er verzog das Gesicht und murmelte: »Es gibt immer ein erstes Mal.«
»Du bist der Wanderer im Innern des Schwertes. Diese Karte existiert.«
»Das ist mir egal.«
»Der Karte auch«, entgegnete sie. »Du hast gar keine andere Wahl, als – «
»Das ist nun aber wirklich nichts Neues!«, fuhr er sie an. »Frag doch mal Oponn, wie gut ich war!« Er stieß ein wildes Lachen aus. »Ich bezweifle, dass die Zwillinge sich jemals richtig erholen werden. Ich war die falsche Wahl, Flickenseel, ich bin immer die falsche Wahl! «
Sie starrte ihn mehrere Herzschläge lang an und zuckte dann lediglich die Schultern. Die Bewegung hatte etwas Aufreizendes.
Plötzlich ernüchtert, wandte Paran sich ab. Sein Blick fiel auf die anderen, auf die Mhybe, auf Elster, Fäustel und den Schnellen Ben. Die vier hatten sich die ganze Zeit nicht gerührt. Ihre Geduld – verdammt, ihr Vertrauen – ließ in dem Hauptmann das Bedürfnis aufsteigen, zu schreien. Ihr habt euch den Falschen ausgesucht. Ihr verdammten Idioten habt euch den Falschen ausgesucht. Doch er wusste, sie würden nicht auf ihn hören. »Ich habe keine Ahnung von den Drachenkarten«, sagte er störrisch.
»Wenn wir genug Zeit haben, werde ich dich lehren. Wenn nicht, wirst du deinen eigenen Weg finden.«
Paran schloss die Augen. Die Schmerzen in seinem Leib kehrten zurück, nahmen zu, eine sich langsam aufbauende Woge, die er nicht länger zurückdrängen konnte. Ja, klar, natürlich. Flickenseel hätte niemals weniger tun können, als sie getan hat. Da hast du es jetzt also, Elster. Sie führt, und die anderen folgen. Ja, Hauptmann Ganoes Paran ist ein guter Soldat …
In Gedanken kehrte er zurück in jene bedrückende, albtraumhafte Sphäre im Innern des Schwertes Dragnipur, zu den Legionen von angeketteten Seelen, die unablässig ihre unermesslich schwere Last zogen … und im Herzen des Wagens, ein kaltes, dunkles Nichts, aus dem die Ketten kamen. Der Wagen trägt das Tor, das Tor nach Kurald Galain, dem Gewirr der Dunkelheit. Das Schwert sammelt Seelen, um dieses Tor zu versiegeln … was für eine Wunde muss das sein, um so viele Seelen zu erfordern … Er stöhnte auf, als eine Woge des Schmerzes ihn überflutete. Silberfuchs streckte ihre kleine Hand aus, um seinen Arm zu berühren.
Er wäre bei dieser Berührung beinahe zusammengezuckt.
Ich werde euch alle enttäuschen.
Kapitel Fünf
Er erhebt sich blutleer aus dem Staub,
mit toten Augen, die wie Abgründe sind,
zwei Brücken zu ewigem Schmerz.
Er ist der Magnet
für den sich sammelnden Clan,
neu erschaffen und von Träumen gequält.
Das Banner ein verrottetes Fell,
der Thron ein Knochenkäfig, der
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