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SdG 05 - Der Tag des Sehers

SdG 05 - Der Tag des Sehers

Titel: SdG 05 - Der Tag des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Erikson
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sehen, und der scharf umrissene Grat einer Bergkette aus Basalt stieg jetzt dort auf, wo keine Berge sein sollten – im Herzen der Catlinebene. Und dann die magischen Energien, die dem Blut der Schlafenden Göttin entströmten – auch diese erkannte Scharteke.
    Die Berührung des Verkrüppelten Gottes. In Brands Adern fand eine Umwandlung statt. Der Gestürzte machte ihr Blut zu seinem eigenen. Und das ist ein Geschmack, den ich sehr gut kenne, denn er war für mich wie Muttermilch, vor sehr, sehr langer Zeit. Für mich und für meine Verwandten.
    Veränderungen waren über die Welt unter ihr gekommen, und Scharteke ergötzte sich an Veränderungen. Ihre Seele und die ihrer Artgenossen waren einmal mehr zu besonderer Wachsamkeit aufgerüttelt worden. Noch nie hatte sie sich lebendiger gefühlt.
    Während sie unter den warmen Aufwinden hindurchglitt, sank sie immer tiefer und wich dabei gelegentlich tänzelnd den kühlen Fallböen aus – Echos der traumatischen Störung, die die Atmosphäre aufgewühlt hatte, als Bruths Zorn sich entladen hatte –, bis sie schließlich mit einem leisen Geräusch auf der Erde vor dem Zelt des Kriegsherrn landete.
    Drinnen war alles dunkel.
    Leise krächzend hüpfte Scharteke unter der halb hochgeschlagenen Zeltklappe hindurch.
    »Kein Wort«, ließ sich Bruths grollende Stimme in der Dunkelheit vernehmen, »über meinen Wutausbruch.«
    Der Große Rabe neigte den Kopf in Richtung der Lagerstatt. Der Kriegsherr saß auf dem Rand, den Kopf in die Hände gestützt. »Ganz wie du willst«, murmelte Scharteke.
    »Berichte.«
    »Das werde ich tun. Zuerst von Anomander Rake. Er hat Erfolg gehabt. Mondbrut ist ungesehen durchgekommen und … versteckt sich nun. Meine Kinder ziehen ihre Kreise weit über dem Land des Pannionischen Sehers. Nicht nur ihre Augen haben die Wahrheit all dessen gesehen, was unter ihnen liegt, Kriegsherr. Auch ich selbst–«
    »Spar dir diese Einzelheiten für später auf. Mondbrut ist also an Ort und Stelle. Gut. Bist du nach Capustan geflogen, wie ich es gewünscht habe?«
    »Das bin ich, Gewichtiger. Und ich bin Zeugin des ersten Tages und der ersten Nacht der Schlacht geworden.«
    »Und wie schätzt du die Situation ein, Scharteke?«
    »Die Stadt wird nicht standhalten, Kriegsherr. Was nicht die Schuld der Verteidiger ist. Doch was ihnen gegenübersteht, ist einfach zu gewaltig.«
    Bruth gab ein Brummen von sich. »Vielleicht hätten wir doch noch einmal über Dujeks Vorschlag hinsichtlich der Schwarzen Moranth nachdenken sollen – «
    »Ah, die sind ebenfalls in Stellung gebracht worden, genau dort, wo Einarm sie haben wollte.« Scharteke zögerte, musterte Caladan Bruth erst mit dem einen, dann mit dem anderen Auge. »Eine ungewöhnliche Einzelheit muss ich noch vorbringen, Kriegsherr. Willst du sie hören?«
    »Na schön.«
    »Der Seher führt auch im Süden Krieg.«
    Bruths Kopf ruckte hoch.
    »Ja«, sagte Scharteke nickend. »Meine Kinder haben Armeen der Domäne gesehen, die vernichtend geschlagen worden waren und sich in Richtung Norden auf dem Rückzug befanden. Zurück nach Wacht. Der Seher hat enorme magische Energien gegen den unbekannten Feind eingesetzt. Flüsse aus Eis, Mauern aus Eis. Eisige Kälte, Winde und Stürme – es ist lange her, seit wir zum letzten Mal erlebt haben, wie dieses besondere Gewirr enthüllt wurde.«
    »Omtose Phellack. Das Gewirr der Jaghut.«
    »Genau. Kriegsherr, du scheinst von dieser Nachricht weniger überrascht zu sein, als ich angenommen hatte.«
    »Darüber, dass im Süden Krieg herrscht, bin ich tatsächlich überrascht, Scharteke.« Er stand auf, legte sich eine Felldecke um die Schultern und begann, auf und ab zu gehen. »Was hingegen Omtose Phellack angeht … nein, darüber bin ich nicht überrascht.«
    »Ah … Der Seher ist also nicht das, was er zu sein scheint.«
    »Offensichtlich nicht. Rake und ich hatten einen Verdacht …«
    »Nun«, schnappte Scharteke, »wenn ich von diesem Verdacht gewusst hätte, hätte ich die Situation in Wacht genauer untersucht. Deine Widerspenstigkeit schwächt uns alle.«
    »Wir hatten keinerlei Beweise, Scharteke. Außerdem schätzen wir deine gefiederte Haut zu sehr, als dass wir riskieren würden, dass du dich zu nahe an die Festung eines unbekannten Feindes heranwagst. Es ist nun einmal geschehen. Sag mir, bleibt der Seher in Wacht?«
    »Meine Brüder und Schwestern waren leider nicht in der Lage, das festzustellen. In jenem Gebiet gibt es Kondore, und sie waren über

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