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SdG 05 - Der Tag des Sehers

SdG 05 - Der Tag des Sehers

Titel: SdG 05 - Der Tag des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Erikson
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unsere Anwesenheit nicht sonderlich erfreut.«
    »Wieso sollten euch ganz normale Vögel Ärger machen?«
    »Sie sind nicht ganz normal. Sicher, sterbliche Vögel sind normalerweise kaum mehr als gefiederte Echsen, aber diese ganz besonderen Kondore waren mehr Echsen als alles andere.«
    »Die Augen des Sehers?«
    »Möglicherweise.«
    »Das könnte sich als problematisch erweisen.«
    Scharteke zuckte mit halb angelegten Flügeln die Schultern. »Hast du ein paar Stückchen Fleisch? Mich hungert.«
    »In der Abfallgrube hinter dem Zelt sind noch ein paar Reste von der Ziege, die’s zum Abendessen gegeben hat.«
    »Was? Du würdest mich aus der Abfallgrube essen lassen?«
    »Verdammt noch mal, du bist ein Rabe, Scharteke – warum also nicht?«
    »Ungeheuerlich! Aber wenn das alles ist, was noch da ist …«
    »So ist es.«
    Scharteke hüpfte auf die hintere Zeltwand zu und gab dabei gluckende Geräusche von sich, um ihre Wut im Zaum zu halten. »Nimm dir in Zukunft ein Beispiel an mir«, murmelte sie, als sie sich unter dem Stoff hindurchzwängte.
    »Wie meinst du das?«, fragte Bruth hinter ihr.
    Sie steckte ihren Kopf wieder ins Innere des Zelts, öffnete den Schnabel zu einem stummen Lachen und antwortete schließlich: »Habe ich einen Wutanfall bekommen?«
    Grollend machte er einen Schritt auf sie zu.
    Der Große Rabe krächzte und floh.

Kapitel Drei
     
    Das Erste Kind des Toten Samens
    träumt vom Todesröcheln eines Vaters
    und hört in ewigem Refrain
    den Schrei, der in seinen Lungen gefangen ist -
    Wagst du es, hinter seine Augen zu treten,
    auch wenn es nur für einen Moment ist?
     
    Das Erste Kind des Toten Samens
    führt eine Armee des Leids
    die Straße der vom Hunger abgenagten Knochen entlang,
    wo eine Mutter tanzt und singt -
    Wagst du es, in seine Fußstapfen zu treten
    und inniglich ihre Hand zu halten?
     
    Das Erste Kind des Toten Samens
    ist in ein Durcheinander missratener Rüstungen gehüllt,
    die ihn vom Augenblick seiner Geburt an verteidigen
    während der Jahre harter Schulungen -
    Du solltest ihn nicht zu hart beurteilen,
    wenn du nicht in seiner Haut steckst.
     
    Silba vom Zersprungenen Herzen
    K’alass
     
    D
    ie Tenescowri schäumten wie eine unerbittliche Flut gegen die Mauern der Stadt. Schäumten dagegen und dann darüber hinweg, eine Masse menschlicher Wesen, die vor Hunger wahnsinnig geworden waren. Torbarrikaden wölbten sich unter dem Druck nach innen und gaben schließlich nach. Und Capustan ertrank.
    Vierhundert Schritte von den Truppenunterkünften entfernt riss Itkovian sein blutbespritztes Reittier herum. Gestalten reckten sich zu ihm hoch, griffen mit klauengleichen Händen nach den gepanzerten Beinen seines Pferdes. Das Tier stampfte immer wieder in kalter Wut, zerschmetterte Knochen, Brustkörbe und Schädel.
    Umringt von drei Mähnen der Grauen Schwerter war der Schild-Amboss von den Truppenunterkünften abgeschnitten worden und befand sich jetzt auf der Kuppe des sanften Hügels, der der Friedhof der Säulen genannt wurde. Die meisten der aufrecht stehenden Särge waren umgeworfen worden und zerbrochen, ihr verschimmelter, in Tücher gewickelter Inhalt lag verstreut inmitten ihrer Verwandten im Tode.
    Itkovian konnte das Tor sehen, das zu den Truppenunterkünften führte und vor dem sich die Leichen stapelten – so hoch, dass man über das Tor klettern konnte, und genau das taten Dutzende von Tenescowri; sie klommen mühsam die Leichenberge hinauf auf die an das Tor angrenzenden Schutzmauern zu, nur um in die gezackten Klingen langschäftiger Piken zu laufen. Piken, die töteten, die die Bettler, die keinerlei Anstalten machten, sich zu verteidigen, verwundeten, die vor und zurück zuckten und Blutfahnen hinter sich herzogen.
    Itkovian hatte noch nie etwas so Schreckliches gesehen. Trotz all der Schlachten, die er erlebt hatte, trotz all der entsetzlichen Kämpfe und all dem, was ein Soldat mit ansehen musste, löschte der Anblick vor ihm alles andere in seinem Verstand aus.
    Wenn die Bettler zurückfielen, den Hang aus Leichen hinuntertaumelten, sprangen die Frauen auf die Männer unter den Gefallenen zu, rissen an ihren Kleidern, hielten sie rittlings mit gespreizten Beinen fest und vergewaltigten sie an Ort und Stelle, umgeben von Blut, Schreien, sich klauengleich reckenden Händen.
    Andere labten sich am Rand des Haufens aus Toten und Sterbenden an ihren Artgenossen.
    Es war ein zweifacher Albtraum. Der Schild-Amboss konnte sich nicht entscheiden, welcher ihn

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