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SdG 05 - Der Tag des Sehers

SdG 05 - Der Tag des Sehers

Titel: SdG 05 - Der Tag des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Erikson
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Kapitel Eins
     
    Wenn es euch möglich ist, meine Freunde, dann lasst
    keine Belagerung über euch ergehen.
     
    Ubilast (der Beinlose)
     
    I
    n der Schenke, die die südöstliche Ecke der alten Daru-Straße beherrschte, hielten sich nicht mehr als ein halbes Dutzend Stammgäste auf, die meisten von ihnen Besucher der Stadt, die jetzt ebenso wie Grantl in der Falle saßen. Die pannionischen Armeen vor den Mauern Capustans hatten jetzt fünf Tage lang überhaupt nichts getan. Der Karawanenführer hatte gehört, dass Staubwolken jenseits der Hügelkette im Norden aufgestiegen waren, ein Zeichen für … was auch immer. Doch das war schon vor einigen Tagen gewesen, und seither war nichts geschehen.
    Niemand wusste, worauf Septarch Kulpath wartete, obwohl natürlich jede Menge Vermutungen angestellt wurden. Noch mehr Boote voller Tenescowri hatten den Fluss überquert, bis es den Anschein hatte, als habe sich die halbe Bevölkerung des pannionischen Reiches der Bauern- und Bettlerarmee angeschlossen. »Wenn es so viele sind«, hatte jemand vor vielleicht einem Glockenschlag gesagt, »bleibt für jeden gerade mal ein Bissen capanischer Bürger.« Grantl war praktisch der Einzige gewesen, der an dem Witz Gefallen gefunden hatte.
    Er saß an einem Tisch in der Nähe des Eingangs mit dem Rücken zu dem grob verputzten, doppelbalkigen Türrahmen; die Tür selbst befand sich zu seiner Rechten, und er blickte in die niedrige Gaststube. Eine Maus trippelte auf dem Fußboden aus festgestampfter Erde zwischen den Tischen entlang, huschte von einem Schatten zum nächsten, flitzte zwischen den Schuhen und Stiefeln der Gäste hindurch, die auf ihrem Weg lagen. Grantl schaute ihr aus halb geschlossenen Augen zu. Es gab immer noch eine Menge zu essen in der Küche – oder zumindest sagte der Maus das ihre Nase. Das würde jedoch nicht mehr lange so bleiben, wenn die Belagerung andauerte, wie Grantl nur zu gut wusste.
    Sein Blick glitt hinauf zu dem vom Rauch geschwärzten Hauptbalken, der sich quer durch den Raum zog. Dort oben schlief die Katze der Schenke; ihre Beine baumelten vom Kreuzbalken. Im Augenblick jagte sie nur in ihren Träumen.
    Die Maus erreichte den Fußbalken der Theke und trippelte an ihm entlang auf den Eingang zur Küche zu.
    Grantl trank noch einen Schluck verdünnten Wein – genauer gesagt war es mehr Wasser als Wein, nachdem die Stadt seit fast einer Woche im Würgegriff der Pannionier war. Die sechs anderen Gäste saßen alle allein an einem Tisch oder lehnten an der Theke. Sie sprachen nur selten miteinander, abgesehen von ein paar vereinzelten Kommentaren dann und wann, gefolgt von kaum mehr als einem zustimmenden Brummen.
    Im Laufe eines Tages und einer Nacht besuchten zwei verschiedene Arten von Gästen die Schenke; so war es Grantl zumindest vorgekommen. Die, die er jetzt vor sich sah, wohnten mehr oder weniger im Gastraum, tranken ihren Wein oder ihr Bier. Sie waren Fremde in Capustan und hatten anscheinend keine Freunde, hatten aber dennoch eine Art von Gemeinschaft gefunden, die durch die überragende Fähigkeit gekennzeichnet war, gemeinsam lange Zeit nichts zu tun. Bei Einbruch der Nacht würden die anderen Gäste auftauchen. Die waren laut und ausgelassen und lockten mit ihren Münzen, die sie ohne einen Gedanken an morgen auf die Tische schütteten, die Huren von der Straße herein. Sie legten eine Art verzweifelte Energie an den Tag, jubelten dem Vermummten auf derbe Weise zu. Wir gehören dir, du sensenschwingender Bastard, schienen sie zu sagen. Aber erst, wenn der Morgen dämmert!
    Sie würden wie die schäumende See zwischen den unbeweglichen, gleichgültigen Felsen – den schweigenden, einsamen Stammgästen – hin und her wogen.
    Die See und die Felsen. Die See feiert ausgelassen im Angesicht des Vermummten, sobald er bedrohlich näher rückt. Die Felsen haben dem Bastard schon so lange ins Auge gesehen, dass sie sich seinetwegen nicht einmal mehr von der Stelle rühren, geschweige denn feiern. Die See lacht laut über ihre eigenen Witze. Die Felsen bringen gerade mal einen knappen Satz heraus, der einen ganzen Raum verstummen lassen kann. Ein Bissen capanischer Bürger …
    Das nächste Mal halte ich meine Klappe.
    Die Katze auf dem Kreuzbalken erwachte und streckte sich, schwarze Querstreifen tanzten über ihr graues Fell. Dann neigte sie den Kopf, spitzte die Ohren.
    Die Maus war an der Ecke zum Kücheneingang, zur Bewegungslosigkeit erstarrt.
    Grantl zischte leise.
    Die Katze schaute

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