S.E.C.R.E.T. 1
jetzt solltest du die Klamotten wieder anziehen«, sagte er.
»Ja, wahrscheinlich.«
Nachdem er mir noch einen zarten Kuss auf den Nacken gegeben hatte, verließ er mich und schloss die Tür hinter sich.
Mein Spiegelbild war gerötet von Luft und Leben. Ich zog mich an und wusch mir erneut das Gesicht. »Du tust das«, flüsterte ich und lächelte mich im Spiegel an. »Du hast es getan. Du hast gerade dem Mädchenschwarm der Musikwelt einen geblasen, einem Typen, dessen Gesicht auf Plakaten zu sehen ist, einem Grammy-Gewinner. Und dann hat er dich im Badezimmer zum Höhepunkt gebracht.« Bei diesem Gedanken kreischte ich leise in meine Hände. Ahhh!
Dann war ich wieder angezogen. Nur mein Haar blieb eine vom Sex verwüstete Mähne. So betrat ich die halbdunkle Küche. Die Musik war verstummt. Der Topf war fort. Genau wie der Mann. Am Rand der Kücheninsel stand eine kleine Tupperdose mit warmem Gumbo, auf der ein goldener Anhänger lag. Ich setzte mich auf den Barhocker, atmete tief durch und dachte über das Geschehene nach.
Wenige Augenblicke später kam Claudette zur Tür her ein. »Cassie, deine Limousine wartet. Ich hoffe, du hattest einen angenehmen Aufenthalt«, sagte sie mit leicht gedehntem New-Orleans-Akzent.
»Danke, ja.« Ich presste den Anhänger an die Brust, nahm meine Tupperdose und wurde flugs zur Seitentür der Villa hinaus – und in die üppigen Ledersitze der Limousine hineinbefördert.
Als wir die Magazine Street entlangfuhren, betrachtete ich versonnen die Umgebung. Aber in Wahrheit sah ich eher nach innen. Ich umklammerte den goldenen Anhänger. Warum hatte ich stets Angst davor gehabt, zu geben? Worum ging es bei dieser Angst? Wahrscheinlich darum, dass ich mich benutzt fühlte. Vielleicht hatte ich befürchtet, dass es mich auszehren würde, wenn ich gab. Aber in Wirklichkeit war es befriedigend. Es bereitete mir Lust, einem anderen Menschen Lust zu bereiten.
Ich ließ das Fenster herunter. Der Wind kühlte mein Gesicht, während das Gumbo meinen Schoß wärmte. Darum ging es bei S.E.C.R.E.T. : Zu lernen, sich den Bedürfnissen des Körpers vollkommen zu unterwerfen, und anderen dabei zu helfen, sich ebenfalls zu unterwerfen. Warum war das früher so schwierig gewesen? Ich öffnete die Hand und betrachtete den glühend goldenen Anhänger, auf dem das Wort Großzügigkeit in eleganter Schrift eingraviert war.
»Das ist es«, sagte ich laut, als ich den vierten Anhänger an meinem Armband befestigte.
ACHT
Der Sommer legte sich wie eine warme Decke über die Stadt. Und da die Klimaanlage des Cafés nicht mehr ganz funktionstüchtig war, war die einzige Erleichterung von der Hitze ein kurzer Besuch in der Kühlkammer. Tracina, Dell und ich gaben uns gegenseitig Rückendeckung, damit Will nicht erfuhr, dass wir die kalte Luft verschwendeten.
»Bewegt euch einfach langsamer«, riet Will eines Tages. »Das haben sie in den guten alten Zeiten auch so gemacht.«
»Für Dell ist das wohl kaum ein Problem«, höhnte Tracina, während sie einen Eimer mit schmutzigem Geschirr neben mir ablud.
Ich hätte gern die Hitze für ihre Stimmung verantwortlich gemacht, aber eigentlich konnte es das nicht sein. Ein Titel meines neuen Hip-Hop-Lieblingskünstlers kam gerade laut aus dem Radio, und sie drehte völlig durch. »Warum hört ein weißes Mädchen wie du die Musik dieses wunderschönen Schwarzen?«, fragte sie und drehte das Radio wieder leiser.
»Ich bin ein Fan von ihm.«
»Ein Fan? Du?«
»Ich kenne mich mit seiner Musik ganz gut aus«, antwortete ich, wobei ich ein Lächeln kaum verbergen konnte. Tracina schüttelte den Kopf und ging davon. Fröhlich drehte ich die Musik wieder lauter und fuhr damit fort, die Küchenbretter zu säubern. Ich konnte mir zwar immer noch nicht vorstellen, in einem Meer von Groupies zu seinen Füßen zu jubeln, aber die Erregung, die ich bei der Erfüllung meiner Fantasie gespürt hatte, war noch immer präsent. Manchmal erinnerte ich mich an seine Haut, die die meine berührte, an sein Gesicht, das vor Ekstase ganz angespannt war, und ein süßer Schauer lief mir über den Rücken.
Natürlich war es schön, von solch einem Zusammentreffen zu träumen – aber es war etwas völlig anderes, wenn man es tatsächlich erlebt hatte und darauf zurückblicken konnte. Genau das machte S.E.C.R.E.T. so einmalig. Die Erfüllung der Fantasien schuf sinnliche Erinnerungen, die ich ein Leben lang behalten würde und auf die ich zurückgreifen konnte, wenn ich einmal
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