Seehunde in Gefahr
Himmel und meinte dann: »Der Regen lässt bald nach. Wenn du Lust hast, können wir später zum Strand
gehen.«
»Klar«, antwortete Lukas und zog sich die Jacke an.
Zweifelnd stand er in der Tür und sah eine Weile zu, wie die dicken Regentropfen in den Pfützen zerplatzten. Er glaubte nicht,
dass es an diesem Tag zu regnen aufhören würde. Da hatte Onno sich mit Sicherheit getäuscht.
Onno begleitete Lukas bis zur Ferienwohnung und sagte, er werde ihn später abholen.
Das Donnerwetter seiner Mutter hielt sich in Grenzen, allerdings bekam er nur belegte Brote zu essen. Aber das war Lukas egal;
immerhin hatte er einen neuen Freund gefunden.
Zwei Stunden später hörte es tatsächlich auf zu regnen und kurz darauf stand Onno vor dem Haus und rief nach ihm.
Als Lukas in der Haustür auftauchte, grinste Onno übers ganze Gesicht: »Guck mal, was ich hier habe!«
»Hey, super«, rief Lukas und nahm das zweite Fahrrad entgegen, das Onno mitgebracht hatte.
Sie fuhren an der Kurverwaltung und am
Trockendock
vorbei Richtung Strand. Dort warteten bereits ein paar von Onnos Freunden.
»Hey, das ist Lukas«, sagte Onno. »Und das sind Klaas, Timo, Judith, Imke, Alex und Eike.«
Sie bildeten zwei Mannschaften und spielten ein paar Runden Beachvolleyball. Regeln gab es eigentlich keine, aber Lukas fand,
dass es dadurch erst richtig lustig wurde. Zum Schluss lag er japsend neben Onno im weichen Sand und ließ sich die Sonne ins
Gesicht scheinen. Er schlug vor, zur Abkühlung ins Wasser zu gehen, doch Onno schüttelte den Kopf.
»Geht nicht, es ist Ebbe«, sagte er.
»Und?«, gab Lukas zurück. »Wo ist das Problem?«
»Schwimmen ist nur bei Flut erlaubt«, erklärte Onno. »Das Wasser zieht sich bei Ebbe zurück. Die Strömung ist dann so stark,
dass sie dich weit ins Meer hinaustragen kann. Da sind schon ein paar Leute ertrunken.«
»Echt?«, fragte Lukas.
Onno deutete auf die rote Fahne, die an einem hohen Mast im Wind wehte. »Siehst du die? Wenn die rote weht, ist absolutes
Badeverbot.«
»Oh, gut zu wissen!«, sagte Lukas und überlegte, warum Richard ihnen noch gar nichts darüber erzählt hatte.
»Mit wem bist du denn hier, wenn dein Vater auf Ibiza lebt?«, fragte Onno, als hätte er Lukas’ Gedanken gelesen.
Lukas verzog das Gesicht. »Mit meiner Mutter, ihrem neuen Freund und seiner Tochter«, sagte er.
»Oje.« Onno klang mitfühlend.
»Viola ist eigentlich ganz okay«, sagte Lukas. »Aber ihr Vater nervt. Er ist Biologielehrer.«
»Klingt echt schlimm«, bestätigte Onno.
Lukas bekam plötzlich ein schlechtes Gewissen, so negativ über seine Familie zu sprechen. Ein Blick auf seine Uhr zeigte ihm,
dass noch Zeit bis zum Abendessen war. Er sprang auf.
»Können wir nicht noch was unternehmen?«, fragte er. »Am Strand hänge ich noch lange genug herum.«
Auch Onno sprang auf. »Klar, ich zeig dir meine Lieblingsplätze auf der Insel. Komm.«
Sie liefen zu den Fahrrädern und fuhren RichtungWestend. Die Insel war viel hügeliger als erwartet; manchmal musste Lukas richtig in die Pedale treten.
Vor einer etwas höheren Düne mit Aussichtsplattform hielt Onno an. »Lass uns raufgehen«, schlug er vor. »Da sieht man über
die ganze Insel.«
Sie liefen die Stufen hoch. Lukas war beeindruckt. Tatsächlich lag ihnen nicht nur Spiekeroog zu Füßen, sondern man konnte
auch die Nachbarinseln Langeoog und Wangerooge sehen.
Das Meer wirkte ruhig, vermutlich war immer noch Ebbe. Zwischen Festland und Insel fuhren zwei Fischkutter mit ausgeklappten
Netzen, umgeben von einer Wolke Möwen, die auf einen Leckerbissen hofften. Die
Tilde
war auf dem Weg zur Insel, um sie mit Lebensmitteln, Zeitungen und sonstigen wichtigen Dingen des Lebens zu versorgen.
Onno zeigte auf einen der Kutter. »Das dort ist mein Papa«, sagte er stolz.
»Fährst du auch manchmal mit?«, wollte Lukas wissen.
»Klar, hab ich schon von klein auf gemacht.« Onno sprang die Stufen hinunter und rief: »Schade, dass es schon so spät ist.
Sonst könnten wir noch ins
Wittbülten
fahren. Die haben ein echtes Pottwal-Skelett.«
»In der Nordsee gibt es Pottwale?«, fragte Lukas.
Onno lachte. »Nein, normalerweise nicht«, erklärte er. »Manchmal verirren sich welche hierher und finden nicht mehr zurück
in den Atlantik. Sie stranden dann und gehen ein.«
Lukas dachte an Viola. Wahrscheinlich würde es ein Drama geben, wenn sie das hörte.
Entlang der Gleise der Pferdebahn fuhren sie zurück Richtung
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