Seehunde in Gefahr
wachsam und warteten ab,
was passieren würde.
Viola knipste ein Foto nach dem anderen.
»Zeig mal«, sagte Lukas und nahm die Kamera. Die Seehunde waren nur kleine, dunkle Flecken auf dem Display, aber mithilfe
der Vergrößerungsfunktion konnte er ein paar Details heranholen. Die sind ja wirklich total süß, dachte Lukas. Seine schlechteLaune von heute Morgen war nun endgültig verflogen. Er hoffte, dass sie noch etwas näher an die Sandbank heranfahren konnten.
»Seht mal, da vorne schwimmt einer«, sagte Richard in diesem Augenblick und deutete auf das Meer vor ihnen. Tatsächlich tauchte
zwischen den Wellenkämmen immer wieder ein kleiner Kopf auf.
»Wir dürfen ihn nicht überfahren«, rief Viola ängstlich, aber ihr Vater beruhigte sie. »Seehunde sind ausgezeichnete Taucher.
Du wirst sehen, wie schnell er verschwindet, wenn wir ihm zu nahe kommen!« Er strich Viola über den Kopf.
Doch dem Seehund schien es zu gefallen, als Fotoobjekt zu dienen. Er schaute mindestens genauso neugierig zu dem Schiff wie
die Ausflügler aufs Meer.
Sie blieben noch eine ganze Weile in der Nähe der Sandbank, doch plötzlich sagte der Kapitän, dass sie leider umkehren müssten;
er habe eine Unwetterwarnung erhalten.
Ungläubig starrten alle in den Himmel. Unwetter? Es war weit und breit keine Wolke zu sehen. Nur der Horizont war etwas dunkler
als vorher und auch der Wind frischte auf.
»Oh, schade!«, sagte Viola. »Können wir nicht noch ein bisschen bleiben?«
»Ja, finde ich auch!«, stimmte Lukas ihr zu. »Wo soll denn so plötzlich ein Unwetter herkommen?«
»Also«, begann Richard.
»Äh, schon gut«, fiel Lukas ihm schnell ins Wort, bevor er wieder mit einem seiner Vorträge beginnen konnte. »Der Kapitän
kennt sich hier ja besser aus als wir!«
»Macht’s gut, Seehunde«, rief Viola und winkte.
Der Kutter nahm wieder Fahrt auf und steuerte auf Spiekeroog zu.
»Seht mal«, rief Lukas und deutete in den Himmel. Aus dem dunklen Streifen waren innerhalb kürzester Zeit schwere, graue Wolken
geworden, die sie zu jagen schienen. Der Wind war deutlich stärker und auch kälter geworden. Viola hatte ihren Pullover bis
ans Kinn hochgezogen und schlüpfte gerade in ihren Anorak.
»Wir sollten besser in die Mitte des Kutters gehen«, sagte Richard. »Da ist es etwas windgeschützter.« Er nahm Viola an die
Hand und sah Lukas fragend an.
»Ich bleib hier«, sagte Lukas. Er wollte lieber an die Reling und die tosenden Wellen beobachten.
»Na gut«, sagte Richard. »Du kannst uns ja von hier aus sehen.«
Lukas ging zur Reling und sah, wie die Wellen gegen den Schiffsbug klatschten. Er musste sich gut festhalten, um nicht das
Gleichgewicht zu verlieren.
Das Schiff fuhr schnell, aber der Wind war schneller. Und mit ihm die Wolken. Sie jagten über den Himmel, verdeckten die Sonne
und ließen die Temperaturen sinken.
Der Kutter begann, heftig zu schwanken. Lukas wurde es nun doch etwas mulmig zumute und er ging zur Schiffsmitte, wo Richard
und Viola dicht beieinander neben den anderen Ausflüglern saßen. Da neben den beiden kein Platz mehr frei war, kauerte Lukas
sich zu Violas Füßen auf den Boden. Er fühlte das Dröhnen des Motors unter sich.
Es wurde dunkel. Als der erste Blitz über den Himmel jagte, ging ein Aufschrei durch die Gruppe. Viola begann zu weinen.
»Keine Angst«, sagte Richard und drückte sie an sich.
»Aber ein Gewitter im Wasser ist doch gefährlich, oder?«, fragte Viola mit zitternder Stimme.
»Nur, wenn du direkt im Wasser bist«, gab ihr Vater zurück. »Auf dem Schiff sind wir sicher, glaub mir.«
Lukas hoffte, dass Richard recht hatte. Das Schiffschien wie ein Spielzeug auf den Wellen herumzutanzen und er musste sich am Rand der Bank festklammern, auf der Richard und
Viola saßen, um nicht gegen die Reling geschleudert zu werden. Er rückte noch näher an Viola heran und spürte Richards Hand
auf seiner Schulter.
Dem Blitz folgte ein grollender Donner, dann weitere Blitze. Es war nur noch eine Frage der Zeit, wann es zu regnen begann.
Was für ein Ausflug, dachte Lukas. Zu gerne hätte er Richard geglaubt, der mit ruhiger Stimme alle möglichen Gründe nannte,
warum ihnen nichts passieren könne.
Lukas nahm Violas kleine Hand und drückte sie. Richard beugte sich nach vorne und nahm sie beide in seine Arme. Für den Bruchteil
einer Sekunde lehnte Lukas sich gegen ihn.
Als plötzlich jemand rief: »Da vorne ist der Hafen!«, ging ein
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