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Seelengift

Titel: Seelengift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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spöttischen Grimasse. »Na los, spucken Sie’s aus. Sie waren doch früher nicht so rücksichtsvoll. Hat man Ihnen die Zähne gezogen? Ich sag’s Ihnen gleich: Ein zahmes Kätzchen kann ich in meiner Situation nicht gebrauchen.«

    Clara wurde rot. »Ich denke, in Ihrer Situation können Sie es sich auch nicht leisten, auf abgebrüht zu machen«, fauchte sie ihn an. »Das nimmt Ihnen keiner ab!«
    Gruber lächelte.
    »Also gut.« Clara beugte sich vor und sah Gruber in die Augen: »Sie hatten also ein Date mit Ihrer Frau. Zuerst ein bisschen Blabla, ein paar Gläser Wein, hie und da ein tiefer Blick. Ein bisschen Sex in Erinnerung an frühere Zeiten … Und danach, nachdem die Spannung verflogen war, zack, wieder die üblichen Vorwürfe, Schuldzuweisungen, ein paar Eifersüchteleien. Sie wollen gehen, Ihre Frau läuft Ihnen nach, wirft Ihnen etwas besonders Gemeines an den Kopf, Frauen können das, nicht wahr? Vielleicht waren Sie ja gar nicht so gut, wie Sie gedacht hatten … Sie werden wütend. Unglaublich wütend. Sind enttäuscht über diesen Scheißabend, ärgern sich, dass Sie sich überhaupt noch einmal darauf eingelassen haben. Ihre Frau keift und schimpft, vielleicht weint sie, drückt auf die Tränendrüse, will Ihnen wieder den Schwarzen Peter zuschieben, Sie geben ihr einen Stoß, sie fällt, schlägt sich den Kopf an. Doch das beruhigt sie nicht, im Gegenteil, sie wird hysterisch, und da packen Sie sie, legen ihr die Hände um den Hals und drücken zu, so lange, bis sie endlich still ist.«
    Grubers ironisches Lächeln war verschwunden. Sein Gesicht war grau geworden vor Schmerz.
    Sie war zu weit gegangen. Clara bereute, dass sie sich von ihm aus der Reserve hatte locken lassen. »Es tut mir leid«, sagte sie leise.
    Gruber wehrte mit einer müden Handbewegung ab. »Ist schon gut. Ich wollte es ja so.«
    Clara biss sich auf die Lippen. »Aber so etwa sieht es die Staatsanwaltschaft, nicht wahr?«

    »Ja. So etwa.« Er sah sie erschöpft an, und die ganze Bitterkeit war aus seinem Gesicht verschwunden. »Werden Sie mir helfen können?«
    Clara hob die Schultern. »Ich weiß es nicht«, sagte sie ehrlich. »Aber ich werde es versuchen.«
    Sie schob ihm die Vollmacht hin, die bereits ausgefüllt auf dem Tisch lag. »Sie müssen das unterschreiben.«
    Während Gruber seinen Namen unter das Papier setzte, sagte Clara langsam: »Aber ich verstehe trotzdem nicht, wieso die Leiche weggeschafft wurde. Was hat das für einen Sinn?«
    Gruber reichte ihr den Füller zurück. »Sie glauben, ich hätte das gemacht, um von mir abzulenken. Ich musste ja davon ausgehen, dass ich nicht alle Spuren meiner Anwesenheit bei Irmi tilgen konnte, also habe ich es gar nicht erst versucht. Stattdessen bringe ich die Leiche fort.«
    Clara runzelte die Stirn. »Aber sie war im Morgenmantel! Kein vernünftiger Mensch käme doch auf die Idee, ihre Frau wäre im Morgenmantel in den Englischen Garten gelaufen und hätte sich dort umbringen lassen! Zumal die Spuren im Kofferraum und im Flur offenbar nicht beseitigt wurden. Das wäre doch ein sehr durchsichtiges Täuschungsmanöver, ziemlich dämlich, vor allem für einen Polizisten. Und es hat ja auch nicht geklappt.«
    Gruber hob die Schultern. »Ich habe keine Ahnung. Es gibt jedenfalls keinen Grund anzunehmen, ich wäre es nicht gewesen. Wer kann schon so genau sagen, was man alles unter Schock tut? Kurzschlussreaktion, Panik, irgendein kopfloser Impuls …«
    Clara nickte nachdenklich. Es war möglich. Das Ganze war so unsinnig, so wenig durchdacht, dass eine solche Erklärung die wahrscheinlichste war: Er hatte sie nicht einfach so liegen
lassen können. Dazu das Entsetzen über die Tat, das Wissen all der Spuren, die auf ihn und nur auf ihn deuten würden. Und er hatte in seiner Panik dem erstbesten Impuls nachgegeben: Weg mit der Leiche. Sie schob die Vollmacht und ihren unberührten Schreibblock, auf dem außer Grubers Namen nichts stand, in ihre Tasche. »Ich werde mich als Verteidigerin bestellen und Akteneinsicht beantragen. Wir werden einen möglichst baldigen Haftprüfungstermin bestimmen lassen …«, sie brach ab und seufzte. Es half nichts. Sie musste ihn fragen. »Waren Sie es?« Ihre Stimme war leise, furchtsam.
    Gruber sah sie müde an: »Wenn ich nein sage, glauben Sie mir dann?«
    Clara antwortete nicht.

VIER
    Clara stützte ihre Arme auf die rote Mappe vor ihr und dachte nach. Nicht über das Verbrechen, von dem in dieser Akte die Rede war, und nicht über die

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