Seelenmoerder
geschnappt.«
»Sie haben Holden wochenlang überwacht«, warf Ryne ein. »Seit wir wissen, dass die Ergebnisse der Blutuntersuchungen, die mir Jepperson geschickt hat, genau mit denen unserer Opfer übereinstimmen. Zu guter Letzt hat er sogar noch die Ausreißerin aufgetrieben, die vergewaltigt worden ist, und sie hat Holden unter Vorbehalt als Täter identifiziert.«
»Ich bin mir sicher, dass er es war«, sagte Raiker grimmig. »Man hat ihn dabei beobachtet, wie er hinter seinem Schuppen etwas vergraben hat. Sie haben sich einen Haussuchungsbefehl besorgt und das Anwesen durchkämmt.«
»Eine Leiche?«, mutmaßte Abbie.
Raiker nickte. »Und bis sie fertig waren, haben sie noch vier weitere gefunden. Alle waren gefoltert worden. Er hatte sich im Schuppen eine Art Privatlabor eingerichtet, wo er die Droge hergestellt hat. Sein Vorrat hätte sowohl für ihn selbst als auch für Grant noch eine ganze Weile gereicht.
Außerdem hatte er mehrere kleine Kabinen eingebaut, die mit brutalen Folterwerkzeugen ausgestattet waren.«
»Er muss schon die ganze Zeit über TTX-Proben abgezweigt und eigene Experimente angestellt haben, bis er das ideale Produkt für seine Perversionen hatte«, sagte Abbie. »Aber ich dachte, er sei nur Laborassistent bei Ketrum gewesen. Woher hatte er das Fachwissen?«
»Es war deine Idee, nach einem Bezug zwischen ihm und dem Vergewaltiger zu suchen«, sagte Ryne nebenbei zu Abbie und fügte eine Erklärung für Raiker an: »Eine Mitschülerin von ihm hat gesagt, er hätte sich schon damals in Chemie besonders hervorgetan. Ich habe ein Foto von Holden aus dem Highschool-Jahrbuch und ein zweites von jemandem, mit dem er sich in der Jugendstrafanstalt angefreundet hat.« Er schüttelte den Kopf, als könnte er es noch immer nicht fassen. »Der Name hat mir zuerst gar nichts gesagt. Larsen war nämlich der Name seiner Schwester und seines Stiefvaters. Doch sowie ich sein Gesicht gesehen habe, ist mir ziemlich schnell alles klar geworden.« Er wandte sich wieder Abbie zu. »Dann erhielt ich deinen Anruf. Ich habe gleich gemerkt, dass du in Gefahr bist, und bin sofort zu dir gefahren.«
Der Anruf auf ihrem Handy, während Grant sie in Schach gehalten hatte. Beim Gedanken an die Szene bekam sie trotz des warmen Wetters nach wie vor eine Gänsehaut. »Grant behauptet, das Feuer, bei dem seine Eltern umgekommen sind, sei gelegt worden.«
Raiker machte ein finsteres Gesicht, was ihn zusammen mit seiner Augenklappe und der quer über den Hals verlaufenden Narbe wie einen verwegenen modernen Piraten aussehen ließ. »Dreimal dürft ihr raten, wer es gelegt hat.«
»Holden«, stieß Abbie hervor. Natürlich. Eigentlich das perfekte Verbrechen: Falls die Polizei einen Verdacht hegte,
hätte sie zuerst Sean Grant ins Visier genommen, der allerdings nach wie vor in der Jugendstrafanstalt hinter Schloss und Riegel saß.
»Angesichts einer fünffachen Mordanklage redet Holden natürlich wie ein Wasserfall und plaudert alles über Grant aus, weil er sich davon mildernde Umstände erhofft. Er gibt zu, dass er drei Wochen vor Grant entlassen worden ist und das Feuer auf Grants Bitte hin gelegt hat. Offenbar hat er nun verlangt, dass Grant sich revanchiert, zuerst für das Feuer und dann dafür, dass er ihm etwas von den Drogen abgegeben hat. Er behauptet, seine letzten drei Opfer seien ihm von Grant geliefert worden.«
»Emsiger kleiner Mistkerl«, knurrte Ryne.
Raiker setzte ein eisiges Lächeln auf. »Es kommt noch mehr. Holden behauptet außerdem, Grant hätte Karen schon vor über sechs Jahren umgebracht und ihre Leiche verschwinden lassen.«
»Das hatte ich befürchtet«, sagte Abbie leise. Sie hatte Karen Larsens Hintergrund sorgfältig recherchiert. Die Frau hatte existiert, und zwar lange genug, um eine Identität zu entwickeln, die ihr Bruder später nach Belieben verwenden konnte. Er war seiner Halbschwester sogar auf die Krankenpflegeschule gefolgt, hatte dort allerdings nur eine zweijährige Ausbildung absolviert.
»Du hast es ja die ganze Zeit schon gesagt«, meinte Ryne. »Dass Frauen persönliche Dinge nur Menschen verraten, denen sie vertrauen. So muss er auch an etliche seiner Opfer herangekommen sein. Vielleicht sind sie in eine der medizinischen Einrichtungen gekommen, wo er als Karen Larsen gearbeitet hat. Oder er ist ihnen bei ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit begegnet. Egal. Jedenfalls hätten sie sich einem Mann nie in gleichem Maße geöffnet wie einer Frau.«
Abbie lächelte
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