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Seelennacht

Seelennacht

Titel: Seelennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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das die Sache komplizieren.«
    Der Ausdruck in ihren Augen ließ erkennen, dass sie abschweifte, während sie überlegte. Dann flackerte ein Funken auf – die Hoffnung, dass sie sich geirrt haben könnte, dass die einzigen Eltern, die sie je gekannt hatte, sie doch nicht aufgegeben hatten. Dann ein scharfes Kopfschütteln. »Nein, ich hab ihnen Ärger gemacht, Mom war froh, dass sie mich los war.« Ihre Hände gruben sich hart in den Sitzsack, ließen wieder los und strichen die Falten glatt. »Es ist besser so. Mir geht’s besser so.«
    Besser eine ungewöhnliche Halbdämonin auf der Schwelle eines neuen Lebens als ein ganz normales Mädchen, das in sein normales Leben mit seinen normalen Eltern zurückgeschickt wurde. Ich streckte den Arm aus und griff nach dem Controller.
    »Wie weit warst du?«, fragte ich.
    »Wieso, willst du mich herausfordern?«
    »Klar.«
     
    Rae und ich aßen zusammen zu Mittag. Pizza. Anders als in Lyle House schienen sie hier eher an unserer Zufriedenheit als an unserer gesunden Ernährung interessiert zu sein.
    Vielleicht weil sie nicht vorhaben, uns am Leben zu lassen?
    Mit Rae zu reden, zu hören, wie aufgeregt sie über all das war, hatte mir genug Distanz von dem Kummer und dem Verrat verschafft, dass ich jetzt eine sehr reale und sehr verstörende Möglichkeit erkennen konnte.
    Was, wenn ich vollkommen falschlag? In jeder Hinsicht?
    Ich hatte keinerlei Beweise dafür, dass die Leute hier Liz und Brady wirklich umgebracht hatten. Liz hatte »geträumt«, festgeschnallt in einer Art Krankenhauszimmer zu liegen. Ich wusste absolut nichts – sie konnte in der Nacht, in der sie sie hierher verlegt hatten, bei einem Autounfall umgekommen sein. Oder in der gleichen Nacht Selbstmord begangen haben. Oder sie hatten sie aus Versehen umgebracht, als sie versucht hatten, sie zu bändigen.
    Dann sind Liz und Brady also ganz zufällig beide verunglückt, unmittelbar nachdem sie Lyle House verlassen hatten?
    Okay, das war unwahrscheinlich.
    Raes leibliche Mutter und Simons Dad haben sich also ganz unabhängig voneinander mit der Edison Group überworfen und sind geflohen, und beide haben ihre Kinder, die zugleich Studienobjekte der Gruppe waren, mitgenommen?
    Nein, hier stimmte ganz entschieden irgendwas nicht. Ich brauchte Antworten, und die würde ich nicht finden, wenn ich eingeschlossen in meiner Zelle hockte. Außerdem hatte ich es nicht eilig damit, dieses Wesen in meinem Zimmer wiederzutreffen.
    In dem Moment, in dem ich gerade noch diesen Gedanken dachte, tauchte Dr. Davidoff auf, um mich genau dorthin zurückzubringen. Als ich ihm durch den Flur folgte, suchte ich hektisch nach einem Grund, warum ich innerhalb des Gebäudes noch woandershin gehen müsste – wohin auch immer, solange ich meinem privaten Lageplan ein paar weitere Details hinzufügen konnte.
    Ich erwog, um eine Unterhaltung mit Tante Lauren zu bitten. Aber dann hätte ich so tun müssen, als hätte ich ihr verziehen, dass sie mich mein ganzes Leben lang belogen und mich am Ende verraten und der Edison Group ausgeliefert hatte. Eine so gute Schauspielerin war ich einfach nicht. Und Tante Lauren war dafür einfach auch nicht dumm genug. Außerdem gab es einen Grund, dass sie gar nicht erst versucht hatte, mit mir zu reden. Sie ließ die Zeit für sich arbeiten, wartete, bis ich mich einsam fühlte und ein vertrautes Gesicht sehen wollte, bis ich mir verzweifelt wünschte, irgendeine Entschuldigung zu hören und glauben zu dürfen. Bis dahin würde sie sich fernhalten.
    Aber es gab noch eine andere Person, mit der ich vielleicht reden konnte. Bei dem Gedanken bekam ich eine fast ebenso üble Gänsehaut wie bei der Vorstellung, mit Tante Lauren zu reden. Aber ich brauchte Antworten.
    »Doktor Davidoff?«, sagte ich, als wir uns meiner Zimmertür näherten.
    »Ja, Chloe?«
    »Ist Tori auch hier?«
    »Ja, das ist sie.«
    »Ich habe gedacht … Ich würde sie gern sehen, einfach fragen, ob alles okay ist.«

[home]
6
    D r. Davidoff erklärte dies zu einer »fabelhaften Idee«, hatte also offensichtlich keine Ahnung, dass ich dahintergekommen war, wer unsere Fluchtpläne verpetzt haben musste. Die zweite Hälfte des Plans, bei dieser Gelegenheit eine klarere Vorstellung von dem Gebäude zu bekommen, funktionierte nicht ganz so gut, denn es stellte sich heraus, dass Toris Zelle nur ein paar Türen von meiner entfernt war.
    Dr. Davidoff öffnete mir die Tür und schloss sie dann hinter mir wieder ab. Als ich das Klicken

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