Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelennacht

Seelennacht

Titel: Seelennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
Vom Netzwerk:
hörte, wich ich vorsichtig zurück, bereit, beim ersten Anzeichen von Ärger zu brüllen. Bei meinem letzten Zusammensein mit Victoria Enright unter vier Augen hatte sie mich mit einem Backstein bewusstlos geschlagen, mich gefesselt und in einem pechschwarzen Kriechkeller meinem Schicksal überlassen. Insofern war es vielleicht nachvollziehbar, dass die verschlossene Zimmertür mich ein bisschen nervös machte.
    Das einzige Licht im Zimmer kam von dem Wecker auf dem Nachttisch. »Tori?«
    Eine Gestalt richtete sich auf der Matratze auf. Das kurze Haar bildete eine Art stachelige Aureole um ihren Kopf. »Puh. Wenn strenge Vorträge nicht helfen, versuchen sie’s mit Folter, oder was? Alles klar, ist angekommen. Sag ihnen, ich gebe auf, wenn sie dich bloß wieder wegbringen. Bitte.«
    »Ich bin hergekommen, weil ich …«
    »Triumphieren will?«
    Ich machte einen Schritt auf sie zu. »Ja klar. Ich bin hier, weil ich triumphieren will. Mich über dich halb tot lachen will, weil du hier eingesperrt bist. Genau wie ich drei Türen weiter.«
    »Wenn du jetzt noch sagst ›wir stecken hier zusammen drin‹, dann kotze ich.«
    »Hey, wir würden überhaupt nicht hier drinstecken, wenn du uns nicht bei den Schwestern verpetzt hättest. Nur hattest du anscheinend nicht damit gerechnet, dass sie dich auch gleich mit einsperren würden. So was nennt man Ironie des Schicksals.«
    Ein Augenblick des Schweigens. Dann lachte sie kurz auf. »Du bildest dir ein, ich hätte dich verpetzt? Wenn ich gewusst hätte, dass du abhauen willst, hätte ich dir beim Packen geholfen.«
    »Nicht, wenn ich zusammen mit Simon abhaue.«
    Sie schwang die Beine über die Bettkante. »Ah, ich habe also in einem Anfall von rasender Eifersucht eure Pläne verraten und so dafür gesorgt, dass du und der Typ, der mich deinetwegen zurückgewiesen hat, in eine psychiatrische Anstalt gesperrt werdet? Aus welchem Film ist denn das wieder?«
    »Demselben, in dem die Cheerleaderin die Neue mit einem Backstein zusammenschlägt und in einen Kriechkeller sperrt.«
    »Ich bin keine Cheerleaderin.« Sie spuckte das Wort mit so viel Gehässigkeit aus, dass man hätte meinen können, ich hätte sie Flittchen genannt. »Ich hätte dich nach dem Abendessen schon wieder rausgelassen, bloß hatte unser nicht so edler Ritter dich da schon gefunden.« Sie rutschte vom Bett. »Ich hab Simon gemocht, aber kein Typ ist es wert, dass man sich seinetwegen zum Affen macht. Du willst irgendwem die Schuld geben? Guck in den Spiegel. Du bist es schließlich, die das alles ins Rollen gebracht hat. Du mit deinen Geistern. Deinetwegen haben sie Liz weggebracht, du hast Derek in Schwierigkeiten gebracht und mich auch.«
    »Du hast dich selbst in Schwierigkeiten gebracht. Ich hab überhaupt nichts getan.«
    »Natürlich nicht.« Sie trat näher an mich heran. Ihre Haut wirkte gelblich, und purpurne Schatten lagen unter ihren braunen Augen. »Ich hab eine Schwester, die ist genau wie du, Chloe.
Das
ist die Cheerleaderin, die süße kleine Blonde – wenn sie mit den Wimpern klimpert, kommt die ganze Welt angerannt. Genau wie du in Lyle House, wo Simon fast über seine eigenen Füße gefallen ist, weil er dir helfen wollte. Sogar Derek ist dir zu Hilfe gekommen …«
    »Ich hab doch …«
    »Gar nichts gemacht. Davon rede ich ja grad. Du
kannst
ja auch gar nichts machen. Du bist eine alberne, nutzlose Barbiepuppe, genau wie meine Schwester. Ich bin intelligenter, tougher, beliebter. Aber bringt das irgendwas? Nein.« Sie ragte über mir auf, fast einen Kopf größer als ich, und starrte auf mich herunter. »Alle haben es immer mit der hilflosen kleinen Blonden. Dumm nur, dass Hilflosigkeit eben nur funktioniert, wenn einer da ist, der dich rettet.«
    Sie hob beide Hände. Funken stoben von ihren Fingern. Als ich zurückwich, grinste sie.
    »Warum schreist du nicht nach Derek, damit er dir hilft, Chloe? Oder nach deinen Geisterfreunden?« Sie kam auf mich zu, Funken wirbelten und schlossen sich zwischen ihren erhobenen Händen zu einer Kugel aus blauem Licht. Ihre Hände jagten abwärts. Ich warf mich zur Seite. Die Kugel schoss über meine Schulter hinweg, traf auf die Wand und zerbarst in einem Schwall aus Funken, die mir die Wange versengten.
    Ich kam auf die Beine und wich zurück in Richtung Tür. Tori hob die Hände, schwang sie erneut abwärts, und eine unsichtbare Kraft riss mich von den Füßen. Das Zimmer zitterte. Jedes einzelne Möbelstück schwankte und klapperte. Sogar

Weitere Kostenlose Bücher