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Seelennacht

Seelennacht

Titel: Seelennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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sein.
     
    Dr. Davidoff brachte mich wieder in mein Zimmer, und ich redete mir ein, dass ich damit kein Problem hatte. Ich musste allein sein, um den nächsten Versuch einer Kontaktaufnahme mit Liz zu starten, jetzt, da ich wusste, dass sie noch hier war.
    Ich fing langsam an und steigerte meine Bemühungen nur ganz allmählich, bis ich eine Stimme hörte, so leise, dass es auch das Summen der Lüftungsanlage hätte sein können. In der Hoffnung, Liz in ihrem Minnie Mouse-Nachthemd und den Giraffensocken zu sehen, sah ich mich um. Aber ich war allein im Zimmer.
    »Liz?«
    Ein leises, zögerndes: »Ja?«
    »Es tut mir leid«, sagte ich, während ich aufstand. »Ich weiß, dass du wütend auf mich bist, aber es ist mir einfach nicht richtig vorgekommen, dir nicht die Wahrheit zu sagen.«
    Sie erwiderte nichts.
    »Ich finde raus, wer dich umgebracht hat. Ich verspreche es.«
    Die Worte schossen aus mir heraus, als läse ich aus irgendeinem mittelmäßigen Drehbuch vor. Wenigstens hatte ich genug Verstand, den Mund noch rechtzeitig zuzuklappen, bevor ich ihr als Nächstes versprach, ihren Tod zu rächen. Das mochte auf der Leinwand vollkommen logisch klingen, aber im wirklichen Leben denkt man an diesem Punkt nur:
Na toll … und wie soll ich das jetzt anstellen?
    Liz schwieg immer noch, als wartete sie auf den Rest.
    »Darf ich dich sehen?«, fragte ich. »Bitte?«
    »Ich komme nicht … durch. Du musst dir mehr Mühe geben.«
    Ich setzte mich wieder auf den Fußboden, wickelte mir ihr Kapuzenshirt um die Hände und konzentrierte mich.
    »Mehr«, flüsterte sie.
    Ich kniff die Augen zusammen und stellte mir vor, wie ich Liz zu mir herüberzog. Ein einziger kräftiger Ruck noch, und … Ein vertrautes klingelndes Lachen veranlasste mich, mich hastig aufzusetzen. Ein warmer Luftzug glitt an meinem unbandagierten Arm entlang.
    Ich zerrte den Ärmel nach unten. »
Du?
Dich habe ich nicht gerufen.«
    »Das war auch nicht nötig, Kleine. Wenn du beschwörst, müssen die Geister gehorchen. Du hast deine Freundin gerufen, und die Schatten von tausend Toten haben geantwortet, sind zu ihren verwesenden Leichen zurückgekehrt.« Ihr Atem kitzelte mich am Ohr. »Hüllen, begraben auf einem zwei Meilen entfernten Friedhof. Tausend Leichen stehen bereit, zu tausend Zombies zu werden. Eine riesige Armee des Todes, die nur auf deine Befehle wartet.«
    »Ich wollte nicht …«
    »Nein, natürlich nicht. Noch nicht. Deine Kräfte brauchen Zeit, um sich zu entfalten. Doch dann?« Ihr kehliges Lachen erfüllte den Raum. »Unser lieber Dr. Lyle führt mit Sicherheit gerade einen Freudentanz in der Hölle auf und vergisst über dem Triumph seine Todesqualen. Unser allseits geliebter Verstorbener, unser wenig geachteter, zutiefst umnachteter Dr. Samuel Lyle. Schöpfer der schönsten, entzückendsten kleinen Scheusale, die ich je gesehen habe.«
    »W-was?«
    »Ein bisschen hiervon, ein bisschen davon. Ein kleiner Kniff hier und ein kleiner Dreh da. Und schau nur, was daraus geworden ist.«
    Ich presste die Augen zusammen und stemmte mich gegen das Bedürfnis, sie zu fragen, wie sie das meinte. Was dies auch für ein Wesen war, ich konnte ihr nicht trauen, ebenso wenig, wie ich Dr. Davidoff und der Edison Group trauen konnte.
    »Was willst du?«, fragte ich stattdessen.
    »Das Gleiche wie du. Freiheit. Diesen Ort verlassen.«
    Ich setzte mich aufs Bett. So aufmerksam ich mich auch umsah, ich konnte keine Spur von ihr sehen. Es gab nur die Stimme und den warmen Luftzug.
    »Du bist hier gefangen?«, fragte ich.
    »Wie eine Fee unter einem Glassturz, metaphorisch betrachtet. Feen sind ein Produkt der menschlichen Einbildungskraft. Kleine Wesen, die auf Libellenflügeln herumschwirren. Geradezu putzig. Eine passendere Metapher wäre vielleicht, dass ich wie ein Leuchtkäfer in einer Flasche gefangen bin. Wenn es um magische Energie geht, kommt nichts wirklich an einen seelengebundenen Quasi-Dämon heran. Außer natürlich ein seelengebundener
echter
Dämon, aber einen zu beschwören und sich seine Macht aneignen zu wollen wäre selbstmörderisch – frag einfach Samuel Lyle.«
    »Er ist umgekommen, weil er einen Dämon beschworen hat?«
    »Das Beschwören selbst ist in aller Regel ein verzeihlicher Akt. Es ist die Seelenbindung, die sie einem wirklich übelnehmen. Lyle hätte sich mit mir zufriedengeben sollen, aber Menschen sind doch nie zufrieden, nicht wahr? Er war zu arrogant, die Möglichkeit eines Fehlers auch nur zu erwägen, und er

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