Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
Vom Netzwerk:
und wie Pilze aus dem Boden geschossen. Die meisten waren schon wieder verschwunden.
    Während ich so dastand, dass man mich von drinnen nicht sehen konnte, und las, tropfte das Wasser aus den vollen Regenrinnen herunter, bildete Lachen auf dem Asphalt des Trottoirs und erreichte endlich auch meine Unterhose. Nun, da an meinem Körper kein trockener Fleck mehr zu finden war, beschloss ich, zuerst in der kroatischen Bar nebenan mein Glück zu versuchen. Immerhin hatten die Segafredo.
    In der winzigen Bar war ich der einzige Gast. Der Fernseher an der Hinterwand lief und zeigte irgendeine Premier-League-Partie. An der Wand hingen ein paar Fotos und eine kroatische Fahne. Bei einem hübschen Mädchen bestellte ich einen doppelten Espresso, und als meine Bestellung kam, versuchte ich, sie ein wenig über den Kredithai nebenan auszufragen. Nebenbei trank ich meinen Espresso, er war weder heiß noch gut, und wenn es ein Segafredo war, na dann wollte ich einen Besen fressen, samt Putzfrau.
    Das Mädchen war noch keine 20, blond, mit ein paar Sommersprossen auf der Nase, und da ihr offensichtlich langweilig war, unterhielt sie sich mit mir, während mir das Regenwasser aus der Hose lief, um auf dem Boden kleine Lachen zu bilden. Über den Kredithai wusste sie nichts. Als ich schon aufgeben wollte und zahlte, beugte sie sich ein wenig nach vorn, schielte nach links und rechts, und meinte: »Er ist Jude.« Dann steckte sie mein Geld ein, nickte ernst, und ich ging hinaus.
    Es regnete noch immer. In meinen Schuhen quatschte es. Ein Jude als Seelenhändler, das hatte mir noch gefehlt. Meine würdentragenden Auftraggeber waren sicher aufgeklärte Weltbürger, aber schon allein das Wort klerikaler Antisemitismus ließ mich im warmen Sommerregen frösteln. Wenn ich das Erich erzählen würde, wer weiß, vielleicht würde ich noch ein Autodafé erleben. Jetzt, wo der gegenwärtige Papst das Haupt der Inquisition gewesen war, bevor er Petris Amt übernommen hatte. Würde in der Kronenzeitung sicherlich eine nette Schlagzeile abgeben, und was Wolf Martin darauf reimen würde, ließ sich denken. Ich holte tief Luft und trat ein.
    Das Innere des Kreditbüros war ein bisschen enttäuschend. Fast hatte ich ein paar rauchende Kerzen, Totenschädel und Phiolen mit blubberndem Inhalt in Rot und Grün erwartet. Doch es gab nur zwei Schreibtische, eine Tür, die nach hinten führte, und neben ihr einen Wasserspender. An den Wänden hingen ein paar Kurstafeln und Werbeplakate. Das leise Surren der Computerkühler war das einzige Geräusch, das zu hören war. Alles war modern und sachlich, nicht die geringste Spur von Eschatologie hing in der Luft.
    Die beiden Arbeitsplätze waren unbesetzt, und es lagen ein paar Ausdrucke mit Tabellen darauf herum. Ich schaute mich um, doch es war niemand zugegen. Fast wäre ich an einen der Tische herangetreten, um mir das Papier und die Computer ein wenig näher anzuschauen, als ich mich dann doch entschloss, mein Hirn einzuschalten, und zuerst einmal an den Wänden hochschaute. Und da waren sie ja auch: zwei kleine Überwachungskameras. Unter beiden leuchtete ein roter Punkt, also waren sie eingeschaltet. Das mit dem Herumstöbern konnte ich mir aus dem Kopf schlagen. Ich räusperte mich und rief: »Hallo, ist jemand anwesend?« Dabei bemühte ich mich, einen respektablen Ton zu treffen.
    Es dauerte ein bisschen, dann hörte ich hinter der Tür ein paar Geräusche, und es trat jemand ein. Eine junge Frau schloss die Tür hinter sich und kam auf mich zu. Sie hatte langes, lockiges, dunkles Haar und dunkle Augen mit den geschwungenen Augenbrauen einer byzantinischen Prinzessin. Sie trug einen dunkelbraunen, dünnen Pullover und einen grauen, glockenartigen Rock, der knapp über den Knien endete. Beides eng anliegend, denn da war nichts, weswegen sie sich schämen hätte müssen. Eine silberne Kette trug sie um den Hals, ansonsten keinen Schmuck. Auch geschminkt war sie fast gar nicht.
    Mit einer Armbewegung bot sie mir einen Platz an und während wir uns setzten, fragte sie: »Was kann ich für Sie tun?«
    »Ich bin wegen eines Kredits gekommen …«
    »Dass Sie nicht zum Kokosnüsseernten da sind, kann ich mir denken. Schließlich ist das ein Kreditbüro.«
    Sie sprach mit einer leichten Melodie, und ihre Verschlusslaute waren undeutlich moduliert, so als würde sie sich ein wenig über sie hinwegmogeln. Außerdem sprach sie in vollem Ernst. Da war keine Spur eines Lächelns, weder in ihrer Stimme noch in

Weitere Kostenlose Bücher