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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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Kurz nach drei läutete das Telefon, ich nahm ab, nickte, packte meine Sachen zusammen und ging hinaus. Der Journaldienst würde sich auch von alleine machen. Draußen öffneten sich zu meiner Begrüßung die Wolken, und als ich in der U-Bahn saß, war ich völlig durchnässt. Aber meine Wohnung war bis Silvester bezahlt.

II
    Ich kannte Erich noch vom Studium her. Einmal hatte ich an einer Exkursion ins Dominikanerkloster an der gleichnamigen Bastei im ersten Bezirk teilgenommen. Erich war damals unser Führer gewesen, als wir uns die Handschriften ansahen, die dort aufbewahrt wurden. Irgendwie gerieten wir in eine Diskussion über die Summa Theologica, und danach liefen wir uns öfter über den Weg. Bruder Erich war ein scharfsinniger und belesener Mann, der nicht nur an Leibesumfang dem Aquinaten gleichkam. In letzter Zeit hatten wir uns ein wenig aus den Augen verloren, auch weil er wusste, mit was ich mein mageres Lektorengehalt so aufzubessern pflege. Er musste ordentlich Karriere gemacht haben, denn wie kam er sonst dazu, pikante Aufträge für den Kardinal auszuführen, Gutbrunner war ein äußerst vorsichtiger Mann. Doch wie alle in seiner Umgebung hatte er einen Fehler, er nahm seinen Glauben zu ernst. Warum sollte er sonst einen Mann bezahlen, der ausziehen sollte, um den Teufel zu fassen? Wenn der denn hinter der Sache stecken sollte.
    Ich konnte sie in meinem Geiste vor mir sehen, die aufgeregten alten Herren, in ihrer Angst vor dem Antichristen, wild durcheinander rufend. Ein paar mit Verstand mussten dabei sein, ein paar, die wussten, dass sie mit so etwas nicht an die Öffentlichkeit gehen konnten, ohne ausgelacht zu werden. Ich musste unwillkürlich vor mich hin lachen. Dass mein Gegenüber in der U-Bahn, ein älterer Herr mit Anzug und Regenschirm, mich missbilligend betrachtete, war mir egal.
    Ich sollte so etwas wie den Advocatus Diaboli spielen. Das war derjenige, der im Verfahren der Heiligsprechung dem zukünftigen Sanktus alle Fehler, die er finden konnte, anzukreiden hatte. Ein Schutzmechanismus, der verhindern sollte, dass allzu vielen Unwürdigen diese Ehre zufiel. Allein ich hatte hingegen die Aufgabe herauszufinden, ob der Mann unschuldig war. Darum war auch Erich zu mir gekommen. Weil ich Atheist bin und an den ganzen Hokuspokus nicht glaube. Man wollte einen Außenstehenden, einen Neutralen. Offensichtlich nahmen die hohen Herren die Angelegenheit noch ernster, als ich ursprünglich angenommen hatte. Ich hatte höllisch aufzupassen, nicht dass ich noch einen unschuldigen Kredithai der Inquisition auslieferte.
    Damit ließ ich die unangenehmen Gedanken beiseite, stieg aus und ging die U-Bahn-Station Schweglerstraße hinauf, dorthin, wo der Kredithai sein Büro hatte, Ecke Tannengasse/Märzstraße, mitten im 15. Bezirk, direkt vor meiner Haustür. Als ich aus dem U-Bahn-Schacht heraus in den Regen trat, der in warmen, großen Tropfen vom Himmel fiel, konnte ich es kaum mehr erwarten, diesem Mann von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen.
    Sein Büro lag genau an der Ecke. Zwischen einer kroatischen Bar mit Flachbildschirm und einem Kindergarten der Stadt Wien. Auf der anderen Seite der Tannengasse, vis-à-vis des Kindergartens, befindet sich der Reithofferpark. Mit Tauben, Fußballkäfigen und einem Gewusel kleiner, dunkelhaariger Kinder, deren Mütter auf den Bänken saßen und Sonnenblumenkerne knackten.
    Neben der Eingangstür prangte ein großes Schild, in der Farbe milchigen Hellblaus, auf der in schwarzer, serifenloser Schrift stand: »Korkarian Kredite«, nebst jeder Menge Zusatzinformationen über fiskalische Produkte, die angeboten wurden. Außerdem noch ein paar Zeilen in verschiedenen Sprachen, die ich nicht beherrsche. Von Seelenhandel stand dort nichts. Die Öffnungszeiten waren jedoch wohlwollend, von sieben Uhr morgens bis elf Uhr nachts. Außerdem gab es die Möglichkeit, 24 Stunden am Tag telefonisch einen Termin zu vereinbaren, wenn man um drei Uhr morgens einen Ferrari kaufen wollte, etwa. Oder eine neue Knarre, um endlich ein gewichtiges Argument in den Ehestreit mit einbringen zu können. Es war einer jener Läden, die man aufsucht, wenn einem die Bank kein Geld mehr gibt, das Konto unter Lohnpfändung steht und der Privatkonkurs nur noch durch den plötzlichen Tod der Erbtante aufgehalten werden kann. Alles schon gehabt. Diese Art von Läden sah man neuerdings öfters im Straßenbild. Sie waren im Zuge der Kreditkrise aus Dönershops oder Handyläden entstanden

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