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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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gewesen, aber das war ausgegangen.
    Schließlich zog ich mich an, ein leichtes blaues Hemd und meine dünne, braune Leinenhose. Die Schuhe waren noch immer nass, ich quatschte bei jedem Schritt. Dann schnappte ich mir meine Tasche und machte mich auf den Weg.
    Draußen hatte sich die Hitze des Tages im Asphalt der Straße und in den dicken Mauern der Häuser gespeichert, alles war schon lang wieder trocken. Der Duft des Regens war verflogen, um dem Geruch der großen Stadt, die schwitzte und Müll produzierte, zu weichen. Außerdem waren viel zu viele Hunde unterwegs. Ich bog in die Tannengasse ein. Vor der Minibar, die mit einladender Leuchtreklame protzte, standen ein paar Mädchen und zeigten ihre Reize. Augenscheinlich war nicht viel los, normalerweise sind nicht alle vier gleichzeitig auf Kundenfang. Wahrscheinlich war es den Freiern auch zu heiß. Wer konnte es ihnen verdenken.
    Oben am Reithofferpark saßen die Mütter mit ihren Kopftüchern noch immer auf den Bänken und knackten Sonnenblumenkerne, aber inzwischen hatten sich ihre Männer und Söhne hinzugesellt. Deren blank geputzte Autos standen auf der Straße, die Männer lehnten an ihnen und redeten. Inzwischen hatten meine Schuhe aufgehört zu quatschen, dafür begann ich mein Hemd durchzuschwitzen, alles im Leben hält sich die Waage.
    Ich stand an der Kreuzung, blickte die Straße unentschlossen hinunter und holte tief Luft. Ein Moment der Schwäche, aber als ich dann in die »Korkarian Kredite« eintrat, war ich wieder gefasst. Die Computer surrten, doch es war niemand da.
    »Hallo«, rief ich. Es kam keine Antwort.
    Endlich machte sich hinter der Tür ein Geräusch bemerkbar und ein älterer Herr betrat das Büro. Er war zart und feingliedrig gebaut, gut einen ganzen Kopf kleiner als seine Tochter. Er trug dunklen Zwirn, gut geschnitten, ein Hemd in der Farbe ungefärbter Seide und eine grüngoldene Krawatte mit verschlungenen Mustern. Sein Haar war eisengrau, voll und gescheitelt. Die dunklen Augen wirkten so, als hätten sie viel gesehen, was sein Mund niemandem erzählen würde. Ein Mann, dem das Leben schon ordentlich eingeschenkt hatte, ohne dass er deswegen weinen würde. Wortlos wies er mir mit der Rechten, an der er einen goldenen Ring mit rotem Stein trug, einen Platz an und setzte sich. Er stützte die Ellenbogen auf dem Tisch auf, sodass er seine Finger vor dem Mund ineinander verschränken konnte. Mit der Linken drehte er den Ring mit dem roten Stein um seinen Finger.
    Da er nichts sagte, begann ich zu sprechen: »Ich bin wegen eines Kredits gekommen, man hat mir gesagt, dass …«
    »Weiß ich.« Er sprach hart, ganz ohne die Melodie seiner Tochter, eher so wie ein Russe Deutsch spricht, ein wenig guttural und mit ausgeprägten Reibelauten.
    »Vertrag habe ich aufgesetzt, ist hier.« Er öffnete eine Ledermappe, die ich bisher nicht bemerkt hatte, und entnahm ihr ein paar Seiten Papier, von einer Klammer zusammengehalten.
    »Lesen Sie durch, dann unterschreiben. Hier und hier.« Er zeigte mir die Stellen. »Dann können Sie gehen, mit dem Geld.«
    »Wenn ich die Raten nicht bezahlen kann, …«
    »Dann gehört Ihre Sicherheit uns«, unterbrach er mich unwirsch. »Steht alles da drin.« Mit der Ringhand wies er auf das Papier.
    »Wie viele derartige Kredite …«, haben Sie laufen, wollte ich fragen, aber wieder ließ er mich nicht aussprechen.
    »Das hier ist Vertragsunterzeichnung, kein Interview. Schreiben Sie oder gehen Sie. Kein Problem für uns.«
    Ich holte meinen Füller heraus und unterschrieb, zweimal. Die Feder kratzte auf dem schlechten Papier.
    »Dann brauchen wir noch Name, Anschrift. Passport und Meldezettel haben Sie schon hier?«
    »Sicherlich.« Einmal hatte ich wenigstens mitgedacht und kramte die Papiere aus meiner Ledertasche. Ich legte sie auf den Tisch. Er drehte sich um und rief etwas in einer Sprache, die ich nicht kannte, nach hinten. Seine Tochter kam heraus, nahm die Papiere und grüßte freundlich.
    »Guten Abend. Wird alles kopiert, ist gleich erledigt.«
    Dem Vater war das gar nicht recht. Noch ehe ich ein ›Guten Abend‹ erwidern konnte, fuhr er sie rüde an. Wieder in der Sprache, die ich nicht kannte. Sie antwortete nicht, nickte nur und war hinten verschwunden. Derweilen blickte ich angestrengt auf den Vertrag, bloß um ihr nicht nachzuschauen. Ihre Hinteransicht war sicher genauso schön wie die Front, allerdings wollte ich ihr nicht noch mehr Schwierigkeiten machen. Ein paar Minuten vergingen,

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