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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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sodass das Drehkreuz blockierte, ließ dann ihr Handtuch fallen, weil sie so gehetzt war, und hielt die Leute hinter sich auf. Aber für gewöhnlich saß eine gelb gekleidete Frau am nahe gelegenen Empfangstisch, die ihr half.
    «Sie sagen, ‹theoretisch nicht›. Wie sieht es denn praktisch aus?», fragte sie. «Wie schwer wäre es für einen Betrüger, hier reinzukommen?»
    «Kinderleicht. Man müsste wissen, wie das System funktioniert, aber es gibt auch Wege, es zu umgehen.»
    «Zum Beispiel?» Irgendetwas an diesem rundlichen kleinen Mann begann sie zu reizen. Vermutlich seine gute Laune, dachte sie. Den Mann brachte offenbar nichts aus dem Konzept. Fröhliche Menschen gingen ihr echt auf den Geist.
    «Na ja, Sie könnten behaupten, Sie hätten Ihre Karte vergessen. Das passiert den Leuten ständig. Wir würden Sie dann bitten, sich einzutragen, aber wir gleichen Ihre Unterschrift nicht mit der Mitgliederliste ab. Karen am Empfang würde Sie einfach durchlassen.»
    «Man könnte sich also als Sonstwer eintragen?»
    «So ziemlich.»
    «Wie kann man das System sonst noch umgehen?»
    «Sie könnten sich die Karte von einem Freund borgen. Wir nehmen an, dass das ständig passiert, vor allem bei den jüngeren Mitgliedern. Auf den Karten ist zwar ein Foto, aber das schauen wir normalerweise nicht an. Es ist hauptsächlich zur Abschreckung da.» Dass das System zum Austricksen geradezu einlud, schien ihm herzlich wenig auszumachen – er schien das eher lustig zu finden.
    «Großartig», sagte Vera. «Verdammt großartig.» Aber in Wahrheit hatten die Komplikationen dieses Falls sie schon gepackt. Sie war eine gute Ermittlerin. Sie bekam nur zu selten die Möglichkeit, das auch zu beweisen.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel Drei
    Connie wartete im Schein der Frühlingssonne vor dem Gemeindesaal. Am Flussufer auf der anderen Straßenseite blühten büschelweise Schlüsselblumen. Es gab eine Zeit, da hätte sie das idyllisch gefunden: die Sonne, die Kinderstimmen, die durch die offenen Fenster des Saals drangen, das Vogelgezwitscher in den Büschen am Bach und den Bäumen am Kirchhof. Nach einem schneereichen, regnerischen Winter tat es gut, blauen Himmel zu sehen. Aber heute fühlte sie nur wieder die Anspannung, die jedes Mal in ihr aufstieg, wenn sie Alice von der Spielgruppe abholte.
    Nun kamen auch die anderen Mütter angeschlendert. Connie achtete stets darauf, als Erste an der Halle zu sein. Sie war den abgewandten Gesichtern nicht gewachsen, dem falschen, mitleidigen Lächeln und der darauf folgenden anklagenden Stille, die genau so lange anhielt, wie sie brauchte, um an den wartenden Frauen vorbeizugehen und sich in der Schlange einzureihen.
    Die Leiterin der Spielgruppe öffnete die Tür, und Connie ging vor allen anderen hinein. Am besten holte sie nur rasch ihre Tochter und verschwand wieder.
    Alice saß auf der Matte, im Schneidersitz und mit durchgedrücktem Rücken. Sie erblickte ihre Mutter und strahlte sie an, behielt ihre Haltung aber bei. Streng dich nicht so an, meine Süße, hätte Connie am liebsten gesagt. Es kann dir doch egal sein, was die anderen von dir denken. Aber Alice wollte, dass die anderen Kinder sie mochten, und sie wollte den Frauen gefallen, die die Gruppe leiteten. Nur nachts ließ ihre Selbstbeherrschung nach. Dann machte sie ins Bett, wurde von Albträumen heimgesucht und kletterte zitternd zu Connie, um bei ihr zu schlafen. Am Morgen weigerte sie sich, über die Schrecknisse der Nacht zu reden. Die genauen Gründe für die schlimmen Träume kannte Connie nicht, aber sie konnte sie sich vorstellen. Sie wurde ja selbst von Erinnerungen geplagt, in denen eine Horde Reporter sie die Straße hinunter verfolgte.
    «Alice, deine Mummy ist da.» Das war Tante Elizabeth. Die Leiterinnen der Spielgruppe wurden alle nur «Tante» genannt. Elizabeth war mollig und liebenswürdig. Die Frau des Pfarrers. Connie hatte das Gefühl, dass Elisabeth ganz wild darauf war, in ihr Haus und ihren Kopf einzudringen. Vielleicht meinte sie ja, ihr Glaube gebe ihr das Recht, im Leben anderer Leute herumzuschnüffeln. Connie verstand diesen Impuls: Auch sie hatte ihr Arbeitsleben damit verbracht, neugierig zu sein. Aber solange die Frau vernünftig auf Alice aufpasste, war sie ihr dankbar.
    Die Kleine sprang auf die Füße und kam zu ihrer Mutter gelaufen. Die Kinder mussten draußen in der Sonne gespielt haben, denn Alices Sommersprossen schienen zu leuchten, und auf dem Knie ihrer Jeans prangte ein

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