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Segel der Zeit

Segel der Zeit

Titel: Segel der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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einen Fußbügel des Bikes gehakt; das war ihr einziger Kontakt mit der Maschine. Sie befanden sich vor einer weißen Wolkenwand, kilometerweit vom nächsten festen Objekt entfernt. Chaison und Darius schwebten mit ihr in Schwerelosigkeitshaltung neben dem Bike, aber Richard Reiss klammerte sich hartnäckig weiter an den Jet.
    Â»Erstens«, begann das langgliedrige Wintergespenst, »wollen Sie alle wissen, ob Ihre Nation weiterhin sicher ist. Die Frage kann ich bejahen. Sie sind aus dem Grenzstreit mit Ihrem Nachbarn Mavery als Sieger hervorgegangen.
In Ihrer Hauptstadt Rush gibt es einige Unruhen, aber darüber weiß ich wirklich nichts Genaueres, also fragen Sie nicht weiter.
    Um deine Frage zu beantworten, junger Martor, wir fliegen tiefer in die Falkenformation hinein, weil man im Winter – also genau in der entgegengesetzten Richtung – nach euch sucht.« Darius nickte widerstrebend.
    Â»Und um auf das einzugehen, was Sie vorhin vor sich hinmurmelten, Herr Botschafter – ja, Wintergespenster sind kein Mythos, es gibt sie tatsächlich. – Und wir sind ganz und gar menschlich, obwohl wir dank der alten Anime-Vorbilder anders aussehen und deshalb von Ihresgleichen gemieden und verfolgt werden. Ich bin Pacquaeanerin, so wie Sie Slipstreamer sind.« Sie sah Richard so lange ausdruckslos an, bis er nickte.
    Â»Haben Sie etwas zu essen?«, unterbrach Darius. Sie griff lächelnd in eine der Satteltaschen, die am Bike hingen.
    Â»Auf diese Frage warte ich schon lange. Aber was Ihre Frage angeht, Admiral, ich bin tatsächlich Mitglied des Heimatschutzes. Es wundert mich allerdings, dass Sie von uns gehört haben.«
    Chaison hätte ihr das Brot am liebsten aus den Fingern gerissen. Doch er ließ den beiden anderen den Vortritt. Es war Sitte, dass der Befehlshaber als Letzter zu essen bekam.
    Â»Ich habe in der Touristenstation von Virga jemanden vom Heimatschutz kennengelernt«, erklärte er. »Das war vor einigen Monaten.«
    Sie machte große Augen. »Sie waren dort? Dann sind Sie ein ungewöhnlich weitgereister Mann.«

    Chaison musterte sie diskret, während sie sich mit den beiden anderen unterhielt, und versuchte, sich ein Bild von ihr zu machen, wie er es gewöhnlich bei den Männern tat, die ihm unterstellt waren. Das Erste, was einem auffiel, waren ihre Augen. Sie waren das Fremdartigste an ihr. Der Rest des Gesichts wirkte zwar seltsam kindlich, wich aber nicht völlig von der Norm ab. Ihre Lederkluft war vom Schnitt her typisch meridianisch, sie konnte überall in Slipstream, bei den Falken oder in Mavery gekauft worden sein. Das galt auch für den Fliegerhelm, das Bike und seine Satteltaschen. Die Frau hatte einen leichten Akzent, den er aber nicht einordnen konnte.
    Was wirklich aus dem Rahmen fiel, waren die hochhackigen Lederstiefel mit der gespaltenen Kappe. Sie reichten bis knapp über die Knie, waren vorne geschnürt und übersät mit Kratzern und Schrammen. Die fünfzehn Zentimeter hohen Absätze waren aus blauem Stahl und spitz wie Dornen. Das waren keine Schuhe, sondern Waffen, und man sah ihnen an, dass sie oft benutzt wurden.
    Antaea maß mehr als einen Meter achtzig, war aber dabei so schlank wie alle Menschen, die bei weniger als Standardschwerkraft aufgewachsen waren – oder einen erheblichen Teil ihrer Jugend in Schwerelosigkeit verbracht hatten. Ihre langen Gliedmaßen waren sehr muskulös. Die Brüste waren nicht so voll, dass sie sich unter der lose fallenden Jacke abgezeichnet hätten.
    Als sie ihn ansah, wandte er rasch den Blick ab, ohne es zu wollen. Verdammt.
    Â»Erzählen Sie mir mehr über diesen Heimatschutz«, bat er, als der Rest des Brotes endlich zu ihm gefunden
hatte. »Man sagte mir, Sie seien Verteidiger Virgas – der ganzen Welt. Verteidiger wogegen?«
    Wenn sie lächelte, zogen sich die Winkel ihrer mandelförmigen Augen nach oben, wodurch ihr Gesicht etwas Dämonisches bekam. »Wissen Sie, meistens wollen mir die Leute nicht einmal glauben, dass wir existieren. Der durchschnittliche Farmer oder Stadtbewohner hält Virga für unendlich. Er meint«, sie wies auf den Himmel ringsum, »das wäre alles, was es gibt. Ich genieße es, jemanden kennenzulernen, der mehr weiß.«
    Â»Jeder zivilisierte Mensch könnte Ihnen sagen, dass diese Welt künstlich geschaffen wurde«, bemerkte Richard indigniert. »Virga ist ein riesiger

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