Segel der Zeit
unwillkürlich zusammen. Es waren vier, »Geheim«polizisten, die keineswegs geheim waren, sondern groÃspurig wie Schläger im Staatsdienst daherstolzierten.
Sie betraten gerade den Markt, einen Irrgarten aus Gebäuden, Balkonen und Treppen, der dreiÃig Meter vor ihnen die StraÃe und die Häuser verschlang. Jeder der Männer schwang lässig einen Schlagstock, und sie hielten willkürlich Passanten an und verlangten, ihre Papiere zu sehen.
Einer hob seinen Stock und zog ihn einem Bürger über die Schulter. Der Mann stieà einen Wutschrei aus, drehte sich um â und wich, als er sah, wer ihn geschlagen hatte, mit einer kleinen Verbeugung zur Seite hin aus.
Und da entdeckte Chaison Richard Reiss.
Der Botschafter saà mit untergeschlagenen Beinen keine fünf Meter von den Polizisten entfernt auf den Holzplanken. Er hatte einen kleinen Kasten vor sich stehen und wedelte mit den Händen durch die Luft. Eine Schar Kinder stand im Halbkreis um ihn herum.
»Was«, zischte Antaea, »treibt der Schwachkopf denn da?«
Chaison beobachtete Richards Lippenbewegungen und erkannte, dass er ihn schon fast eine Minute lang gehört, aber wegen seines makellosen Falkenakzents nicht erkannt hatte.
»Hütet euch vor dem Zorn meines mächtigen Dokumentationsschwerts«, donnerte Richard Reiss und unterstrich seine Worte mit einer dramatischen Geste. »Niemand kommt an mir vorbei, bevor er nicht alle diese Formulare in dreifacher Ausfertigung unterzeichnet hat!«
Die Kinder lachten.
Die Geheimpolizisten steuerten auf den Botschafter von Slipstream zu.
Einer von ihnen warf einen Blick auf ihn; der zweite versetzte dem ersten einen Rippenstoà und deutete in eine andere Richtung; dann gingen sie alle weiter.
»Ich fasse es nicht«, murmelte Antaea. Richard Reiss hob die Puppen, die er geführt hatte, und lieà sie mit genau den gleichen Bewegungen wie die Geheimpolizisten über den Kasten marschieren. Die Kinder kreischten vor Lachen, schlugen sich gegenseitig auf den Rücken und zeigten auf die Zielscheiben seines Spotts.
Richard blickte auf und entdeckte Chaison. »Die Welt ist â vorerst â vor den Undokumentierten sicher!«, deklamierte er. Die Puppen drehten sich zueinander und verneigten sich. »Die nächste Vorstellung beginnt in zehn Minuten.« Die Kinder liefen kichernd davon, und Richard grinste Chaison und Antaea entgegen.
»Eine kleine Spende wäre sehr willkommen, Bürger«, rief er laut. Antaea sah Chaison mit Leidensmiene an, dann bückte sie sich rasch, kramte in ihrem Ranzen und schob Richard etwas zu. Chaison sah etwas WeiÃes aufblitzen und begriff, dass es seine Ausweispapiere waren.
Richard kam nur mit Mühe auf die Beine. »Ich habe mich bemüht, diesen Typen davonzulaufen«, sagte er und nickte zu den Polizisten hin. »Dachte schon, ich schaffe keine fünf Meter mehr, als ich an einem der Verkaufsstände diese Puppen entdeckte. Zum Glück hatte einer unserer Gefängniswärter etwas Kleingeld in seiner Tasche.« Er strich sich über den Bauch, als sei er überrascht, wie flach er war. »Leider reicht es nicht mehr für ein Frühstück. Ich hatte gehofft, einige von den Kindern wären so groÃzügig â¦Â«
Chaison musste lachen. »Gut reagiert, Richard. â Und der Akzent â¦Â«
»Durch lebenslange aufmerksame Beobachtung und einen etwas übertriebenen Drang zur Anpassung«, bemerkte der Botschafter, »konnte ich im Laufe der Jahre die eine oder andere nützliche Fertigkeit entwickeln. «
»Kommt jetzt«, mahnte Antaea. »Wir haben eine Verabredung. «
»Aha â hoffentlich zu einem Essen unter Freunden?«
Â
Chaison waren die Plakate nicht entgangen, die überall an den Wänden des Marktes angeschlagen waren. Einige waren schon alt und verkündeten Leitsätze wie: GEHORSAM SCHAFFT SICHERHEIT oder Aufforderungen wie: MELDET JEDEN FREMDEN. Beruhigend wirkte nur ein riesiges Plakat, das die baldige Ankunft eines Zirkus ankündigte, in dem Corbus, DER STÃRKSTE MANN ALLER ZEITEN!, die Hauptattraktion war. Dieses Blatt wurde jedoch halb verdeckt von neueren Aufnahmen junger Männer mit markigem Kinn und perfektem Bizeps, die Schusswaffen hochhielten und in idealisierte Fernen blickten. Darunter standen Sätze wie: KÃMPFT MIT FÃR DIE FREIHEIT und: WENN IHR ZÃGERT, SIND WIR VERLOREN. Das lieÃ
Weitere Kostenlose Bücher