Segel der Zeit
nächsten Tagen sind Sie auf leichten Dienst gesetzt. Das ist Ihr linker Arm«, bemerkte er dann.
»Na und?«, fragte der Rigger, sichtlich unschlüssig, ob er Chaisons Benehmen übelnehmen sollte.
»Es ist eine Abwehrverletzung«, stellte der Admiral fest. Er hob seinen eigenen Arm, wie um einen Hieb abzublocken. »So haben sie ihn gehalten. Unklug. Sie hätten den Arm verlieren können, wenn Ihr Gegner ernsthaft vorgehabt hätte, Sie zu verletzen. Ein geschulter Kämpfer sind Sie jedenfalls nicht.«
Sanson sah ihn empört an. »Das Gesetz verbietet es, einfache Bürger im Kämpfen auszubilden.«
Chaison griff noch einmal nach Sansons Arm. Der lieà es nur widerwillig geschehen. Der Admiral beugte sich vor und fragte leise: »HeiÃt das, Sie wollen sich auch von mir nichts beibringen lassen?«
Die Augen des Mannes wurden groÃ. Er warf einen Blick auf seinen immer noch blutenden Arm, dann schüttelte er den Kopf.
Chaison trat zufrieden zurück und wandte sich an Ergez und Antaea. »Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie uns helfen würden, in unser Land zurückzukehren. Als Gegenleistung werden wir diesen Männern zeigen, wie man sich verteidigt. Wir müssen ohnehin wieder in Form kommen; damit ist dies für alle Seiten die perfekte Lösung.«
Ergez lächelte, und Antaea lächelte ebenfalls; aber bei ihr wirkte das Lächeln etwas aufgesetzt, und er hatte den Verdacht, dass sie innerlich vor Wut kochte.
5
Sieben Monate zuvor hatte Chaison eines Nachts am Fenster seines Amtszimmers gestanden und war so ganz zufällig Zeuge des Raketenangriffs geworden, der so viele Ereignisse in Gang gesetzt hatte. Hinter den Lichtern der Stadt Rush waren auf einmal rasch hintereinander ein, zwei, drei, vier, fünf grelle rote Striche durch die Dunkelheit gefegt. Chaison hatte dagestanden wie versteinert, die vergessene Kaffeetasse in der Hand, während auf der Innenfläche eines der gröÃten Habitaträder unvermittelt Feuerblumen erblühten. Dort befanden sich die Häuser von Slipstreams wohlhabender Mittelschicht; es war nicht das Viertel, in dem er aufgewachsen war, aber ein ganz ähnliches. Weitere Raketen rasten heran. Chaison ging in aller Ruhe zu einer Ecke des kleinen, mit Büchern übersäten Raums und zog an der Klingelschnur. Im Haus wurden die ersten Alarmrufe laut.
Er kehrte ans Fenster zurück, aber der Raketenangriff war schon vorüber. Zwischen den Gebäuden an der Innenfläche von Rushs beidseitig offenen, zylinderförmigen Habitaträdern brannte es an vielen Stellen. Die Flammen bogen sich im Corioliswind. Suchscheinwerfer strahlten auf und schwenkten ihre langen fahlen Kegel nach allen Seiten, und von den Habitaträdern
wurden Fahrzeuge abgesetzt. Viele davon strebten der Admiralität zu. Chaison sah die Leuchtkäferpunkte näher kommen und nahm im Geist eine Bestandsaufnahme vor. Einer oder zwei von den Besuchern waren sicherlich nicht auf dem Weg zu ihm, sondern waren Spione, die Venera Bericht erstatten sollten. Unter den übrigen befanden sich wohl mehrere Delegationen der Habitatverwaltung, die empört war, weil die Admiralität sie nicht beschützt hatte; Polizisten mit Berichten für den militärischen Zweig des Schatzamtes; Mitglieder des Parlaments, die ihren Wählern Eigeninitiative beweisen wollten; und Flottenkapitäne, die kamen, um sich ihre Befehle abzuholen. Natürlich würde auch jemand vom Palast des Piloten dabei sein, um ihm mitzuteilen, wer seinen Kopf verlieren sollte, weil er den Angriff nicht vorhergesehen hatte.
Nur dieser letzte Besucher beunruhigte Chaison â nicht etwa, weil er von dem Angriff überrascht worden wäre, sondern gerade weil er ihn lautstark und in aller Ãffentlichkeit prophezeit hatte.
»Glaubst du wirklich, dass es Mavery war?« Er drehte sich um. Venera stand breitbeinig in der Tür. Sie trug ein rotes Abendkleid, aber ein Träger war ihr nachlässig von der weiÃen Schulter gerutscht. Er trat zu ihr und zog ihn wieder hoch.
»Mavery fürchtet uns«, sagte er. »Warum sollten sie sich durch eine Niederlage demütigen lassen?« Er schüttelte den Kopf. »Deine Spitzel hatten Recht. Ich wollte es dir gegenüber nur nicht zugeben.«
Venera griff lächelnd an ihm vorbei und streifte mit ihren kaum bedeckten Brüsten seine Uniform. »Du ahnst ja nicht, wie sehr mich das
Weitere Kostenlose Bücher