Seherin von Kell
noch bewacht, und die Erbfolge des Hüters war nicht unterbrochen. Toraks Krieg würde Ihm Verderben bringen.
Die Vorbereitungen des Drachengottes währten lange, und die Aufgaben, die Er seinem Volke auferlegte, waren Aufgaben für Generationen. Und ebenso wie wir beobachtete Torak den Himmel, um die Zeichen zu lesen, die Ihm sagen sollten, wann die Zeit gekommen war, gen Westen zu ziehen. Doch Torak hielt nur Ausschau nach Zeichen, die Er sehen wollte, und Er las nicht die ganze Botschaft, die am Himmel geschrieben stand. Und da er nur einen kleinen Teil der Zeichen gelesen hatte, ließ er seine Truppen am ungünstigsten Tag ausrücken.
Und, wie wir es vorhergesehen hatten, suchte das Unglück Toraks Heerscharen auf einer weiten Ebene heim, die vor der Stadt Vo Mimbre im fernen Westen lag. Und der Drachengott wurde in Schlaf gebannt, bis Sein Feind kommen würde.
Zu der Zeit erreichte uns ein Wispern von einem neuen Namen.
Das Wispern dieses Namens wurde klarer, und am Tag seiner Geburt schwoll das Wispern zu einem gewaltigen Ruf an. Belgarion der Gottbezwinger war endlich gekommen.
Nun beschleunigte sich der Lauf der Begebnisse, und der Sturm auf die furchtbare Begegnung zu wurde so schnell, daß die Seiten des Buches des Himmels vor den Augen verschwammen. Und
dann, an jenem Tag, den die Menschen als den Tag feiern, da die Welt erschaffen wurde, übergab man Belgarion den Stein der Macht; und in dem Augenblick, da seine Hand sich um ihn schloß, füllte das Buch des Himmels sich mit ungeheurem Licht, und Belgarions Name schallte vom fernsten Stern.
Und dann spürten wir, wie Belgarion sich mit dem Stein der Macht auf Mallorea zubegab, und wir spürten, wie Torak sich herumwälzte, als ihn Unruhe in seinem Schlaf befiel. Und schließlich kam diese schreckliche Nacht. Während wir hilflos zusahen, bewegten die ungeheueren Seiten des Buches des Himmels sich so rasch, daß wir nicht imstande waren, sie zu lesen. Bis sie anhielten und wir eine erschreckende Zeile zu deuten vermochten: »Torak ist gefallen.« Das Buch erschauderte, und alle Lichter in der gesamten Schöpfung erloschen. Und in jenem grauenvollen Augenblick der Finsternis und Stille endete das Vierte Zeitalter, und das Fünfte Zeitalter begann.
Und als das Fünfte Zeitalter begann, fanden wir etwas Rätselhaftes im Buch des Himmels. Zuvor hatte alles sich auf die Begegnung zwischen Belgarion und Torak hinbewegt, doch nun eilten die Begebnisse auf eine andere Begegnung zu. Unter den Sternen gab es Zeichen, die uns sagten, daß die Bestimmungen nun andere Er-scheinungen für ihren Endkampf gewählt hatten, und wir vermochten die Bewegungen dieser Wesenheiten zu spüren, doch wir wuß-
ten nicht, wer oder was sie waren, denn die Seiten des großen Buches waren dunkel und rätselhaft. Doch eine Wesenheit spürten wir verschleiert und in Dunkelheit gehüllt, und sie nahm Anteil an den Belangen der Menschen, und der Mond sprach klar und deutlich, und von ihm erfuhren wir, daß diese dunkle Wesenheit eine Frau war.
Eines erkannten wir in dieser großen Wirrnis, die uns nun den Blick in das Buch des Himmels verwehrte. Die Zeitalter der Menschheit wurden mit dem Scheiden eines jeden kürzer, und die Begebnisse der Begegnung beider Bestimmungen folgten einander in immer kürzeren Abständen. Die Zeit für müßige Betrachtungen war vorbei, und nun müssen wir uns sputen, damit uns das letzte Begebnis nicht unvorbereitet findet.
Wir entschieden, daß wir die Teilnehmer an jenem letzten Begebnis anspornen oder überlisten müssen, damit sie beide zur vorbestimmten Zeit zum vorbestimmten Ort kommen.
Und wir haben das Abbild von Sie-welche-die-Wahl-treffen-muß zu der dunklen, vermummten Wesenheit und zu Belgarion Gottbezwinger gesandt, und sie führte sie auf den Weg, auf dem sie schließlich zu dem Ort unserer Entscheidung gelangen würden.
Und dann wandten wir uns alle unseren Vorbereitungen zu, denn es blieb noch viel zu tun, und wir wußten, daß dieses Begebnis das letzte sein würde. Die Spaltung der Schöpfung dauerte bereits viel zu lange; in dieser Begegnung zwischen den beiden Bestimmungen würde die Trennung enden, und alles würde wieder eins werden.
Erster Teil
KELL
1
DieLuft war dünn und kühl und würzig vom harzigen Duft der Bäume, die nie ihr Laub abschüttelten, sondern vom Anfang bis zum Ende ihres Lebens in dunklem Grün prangten. Der Sonnenschein auf den Schneefeldern über ihnen blendete, und das Tosen des Wassers, das
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