Sehnsucht unter suedlicher Sonne
schwarzen schmiedeeisernen Tor näherten, das von zwei mächtigen Dattelpalmen flankiert war, betätigte Jeff die Fernsteuerung. Beide Flügel öffneten sich in der Mitte und wichen langsam zurück, sodass der Weg frei war.
Sie hatten das Domizil der Trevelyans erreicht!
Genevieve fühlte sich wie in einem Wunderland. Diese Abgeschiedenheit! Wenn man fortwollte, konnte man nicht einfach in ein Auto springen und losfahren. Hier musste man sich per Flugzeug bewegen. Touristen waren hier schon oft zu Schaden gekommen. Einige waren elend verdurstet, andere hatten sich mit fremder Hilfe gerade noch retten können.
Genevieve nahm alles mit wachen Sinnen auf, um sich später daran erinnern zu können. Diese Fähigkeit machte sie zur Schriftstellerin. Sie hatte verschiedene Fotos von Djangala studiert, die in aufwendigen Bildbänden veröffentlicht worden waren, aber sie wurden – wie sie jetzt feststellte – der Realität nicht gerecht. Sie vermittelten auch keinen Eindruck von der Wirkung , die ein solcher Wohnsitz in völliger Einöde hervorrief. Die Ranch gehörte zu den ältesten und bedeutendsten und war Ausdruck des Reichtums und der Macht der „Landaristokratie“. Die frühen Siedler hatten sich überallhin gewagt, wo sie glaubten, ihr Glück machen zu können. Ihre „Schlösser“ waren noch heute der Beweis für bleibenden wirtschaftlichen Erfolg.
Djangala glich nicht den traditionellen georgianischen Herrenhäusern, die in Tasmanien, Neusüdwales und Victoria errichtet worden waren und im Stil an die englische Heimat erinnerten. Es verriet mit seinen zwanzig Zimmern deutlich spanischen Einfluss. Vielleicht hatte Richard Trevelyan vor dem Bau eine Europareise gemacht und sich davon inspirieren lassen.
Das Haus war aus Sandstein erbaut und wirkte wunderbar romantisch. An den zweistöckigen Mittelbau mit vorgesetzter Säulenhalle schlossen sich rechtwinklig zwei Seitenflügel an. Das obere Stockwerk, in dem sich vermutlich die Schlafzimmer befanden, war mit geschwungenen Balkonen versehen, von denen man auf den Garten im Innenhof hinunterblicken konnte. Das Ziegeldach trug vier gleiche Schornsteine, ein Zeichen dafür, dass geheizt werden musste, wenn die Nächte kühl wurden.
Nein, dachte Genevieve, das ist wirklich keine bescheidene Bleibe! Ob Catherine beim Anblick von Djangala genauso begeistert gewesen war? Für sie hatte die freundliche Einladung in dieses geschichtsträchtige Haus mit einer entsetzlichen Katastrophe geendet. War es wirklich ein Unfall gewesen? Um das festzustellen, war Genevieve hier. Fast kam es ihr so vor, als könnte sie Catherine vor sich sehen – mit ihrem langen blonden Haar und den blauen Augen. Die ewig junge Catherine.
Genevieve nahm sich zusammen. Dem Anschein durfte man niemals glauben. Keiner wusste, wie sich der Unfall abgespielt hatte. Catherine war allein gewesen, oder vielleicht doch nicht?
Hatte der mit der Untersuchung beauftragte Polizeiinspektor gewissenhaft die Alibis überprüft, oder waren die Trevelyans zu einflussreich, um sich rechtfertigen zu müssen?
Sie würde es herausfinden.
Bretton beobachtete Genevieve aus der Nähe. Sie schien zu träumen, als hinge sie traurigen Erinnerungen nach, die sie lieber vergessen hätte. War sie persönlich verletzt oder enttäuscht worden? Früher oder später würde er es wissen.
Er hatte Hester ermutigt und damit den Stein selbst ins Rollen gebracht. Sie brauchte etwas, mit dem sie sich die Zeit vertreiben und ihren lebhaften Verstand beschäftigen konnte. Über den Erfolg des geplanten Buchs machte er sich keine Illusionen. Er würde es auf seine Kosten drucken lassen, falls es jemals fertig wurde. Anfangs hatte er Hester nur einen Gefallen tun wollen, aber inzwischen beunruhigte es ihn zutiefst, dass vielleicht viele alte Geschichten aufgerührt wurden. Auf einer traditionsreichen Ranch wie Djangala gab es zahlreiche zu erzählen.
Eine davon hätte er lieber im Dunkel der Vergangenheit ruhen lassen: die vom tragischen Tod Catherine Lyttons, der besten Freundin seiner Großmutter. Damals war auf Unfall erkannt worden, doch er hatte immer das unbehagliche Gefühl gehabt, dass damit etwas nicht stimmte. Entsprechende Beweise gab es allerdings nicht. Er selbst war erst zwanzig Jahre später auf die Welt gekommen und hatte nie einen Hinweis auf ein mögliches Verbrechen erhalten. Wenn nur dieses vage Gefühl nicht gewesen wäre! Sein Vater hatte es auch gehabt, und damit war das Thema endgültig zum Tabu
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