Sehnsucht unter suedlicher Sonne
konnten es lange nicht fassen. Das Licht unseres Lebens … eben noch strahlend hell, im nächsten Augenblick für immer erloschen. Damals begriff ich, dass es keine Sicherheit für uns Menschen gibt.“
„Da stimme ich Ihnen uneingeschränkt zu. Haben Sie und Ihr Vater sehr gelitten?“
„Es war eine schwere Zeit.“
Bretton verstand ihren Schmerz. Ihr Vater hatte vermutlich zum zweiten Mal geheiratet – schon, um seiner Tochter wieder eine Mutter zu geben, bei der ein so junges, verletzliches Kind Halt suchen konnte.
„Werden Sie mich Miss Trevelyan heute noch vorstellen?“, fragte Genevieve. Sie waren die Stufen inzwischen hinaufgegangen und betraten jetzt die offene Säulenhalle, die mit kostbaren Fliesen ausgelegt war.
„Zuerst werden wir Sie unterbringen. Vielleicht möchte meine Großtante Sie noch vor dem Essen sprechen. Sie nimmt es meist mit uns ein … auch an ihren schlechten Tagen. Sie leidet an äußerst schmerzhafter Arthritis.“
„Das hat Derryl mir bereits erzählt. Stimmt es, dass sie eine ausgebildete Pianistin war?“
„Ja.“ Bretton nickte. „Sie strebte keine Konzertkarriere an, aber sie konnte sehr gut spielen. Musik ist immer noch sehr wichtig für sie.“
„Verständlicherweise.“
Bretton warf ihr einen raschen Blick zu. „Sie sagen das, als bedeutete Musik auch Ihnen sehr viel.“
„Sie ist wichtig. Sie drückt so viel aus. Ihre Vermutung ist richtig. Ich spiele ebenfalls Klavier.“ Von den erstklassigen Zeugnissen, die sie bei den verschiedenen Abschlussprüfungen erhalten hatte, erwähnte sie allerdings nichts.
„Spielen Sie regelmäßig?“
„Nicht so oft, wie ich möchte.“
„Also sind Sie ein Multitalent!“
Genevieve errötete. „So würde ich es nicht nennen.“
„Wie bescheiden.“ Er lachte leise, aber ihre Antworten schienen ihn nicht zu befriedigen.
„Vielleicht ist das ein Charakterzug von mir.“ Sie sah in seine rätselhaften dunklen Augen, aber das war ein Fehler. Schnell senkte sie wieder den Blick.
„Es scheint so.“
Die eisenbeschlagenen Flügel der mächtigen Eingangstür standen offen. Bretton machte eine einladende Handbewegung und ließ Genevieve vorangehen.
„Wie schön“, sagte sie und blieb nach wenigen Schritten stehen. Durch ein hohes Fenster fiel helles Licht herein und malte Muster auf die Marmorplatten des Fußbodens. Auf einem prächtigen persischen Teppich stand ein großer Tisch, über dem ein schwerer geschnitzter Holzleuchter hing. Genevieve musste den Kopf weit zurückbeugen, um ihn zu betrachten.
Auf dem Tisch stand die Skulptur eines Pferdekopfs – nicht unmotiviert in dieser Umgebung, wo diese Tiere als die besten Freunde des Menschen galten. In einer hohen japanischen Vase waren Weinranken, trockene Gräser und Schilfrohr kunstvoll arrangiert. Sie kamen in dem weiten, lichten Raum wunderbar zur Geltung. Seitlich führten Treppen zu einer Galerie hinauf, die von schweren Holzbalken getragen wurde und durch ein zierliches schmiedeeisernes Geländer geschützt war. Der Blick von dort oben musste beeindruckend sein.
„So fühlt man sich, wenn man am Besuchertag ein Schloss betritt“, sagte Genevieve fast ehrfürchtig.
„Nicht jeder hat einen Sinn dafür“, meinte Bretton. „Die meisten haben einen konservativen Geschmack.“
„Hier passt alles wunderbar zusammen. Die Umgebung, das Haus, die trockenen Pflanzen … Dieses Arrangement spricht mich unmittelbar an. Es verrät Kenntnis von Ikebana.“ Genevieve drehte sich um und sah Bretton mit ihren grünen Augen an. „Ich weiß, dass Ihre Familie ursprünglich aus Cornwall stammt, aber der Stil des Hauses ist spanisch.“
„In der Tat“, bestätigte er. „Er passt zum Klima. Richard Trevelyan, mein Vorfahre, ist als junger Mann viel in Europa herumgereist. Spanien und seine Architektur gefielen ihm besonders gut. Deshalb beauftragte er einen namhaften kalifornischen Architekten mit dem Hausbau. Sie wissen bestimmt, dass der spanische Stil in Kalifornien weit verbreitet ist.“
Genevieve nickte. Sie kam aus dem Staunen nicht heraus. „Ich kann kaum erwarten, das ganze Gebäude zu sehen.“
Solltest du nicht etwas zurückhaltender sein? warnte sie eine innere Stimme. Deiner Bewunderung etwas weniger enthusiastisch Ausdruck geben? Genau hier hat auch Catherine gestanden, bevor ihr tragisches Geschick sie ereilte. Sie muss genauso geblendet gewesen sein.
„So weit weg, Genevieve?“, fragte Bretton.
Sie sah ihn verwirrt an und schwieg.
„Sie
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