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Sei mein Moerder

Sei mein Moerder

Titel: Sei mein Moerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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Grüßen
    Ihr unbekannter Freund
                                       
     
     
    Ein Kussmund! Liebe Güte! Dieses Motiv sollte Zärtlichkeit ausdrücken, doch hier sah Mark nur die Farbe. Rot wie Blut!
    Das Papier rutschte aus seinen Fingern.
    Er stand wie versteinert im Hausflur, starrte an die Wand und spürte seine Zehen so intensiv wie nie zuvor in seinem Leben.

2
     
    Dr. Markus Rieger hatte viele Jahre als Psychologe in seiner Privatpraxis gearbeitet, als ihn der Ruf des Landeskriminalamtes Berlin ereilte. Nachdem er schon seit Jahren Gutachten für Gerichte und die Kriminalpolizei verfasst, sowie mit Aufsätzen in der Fachpresse auf sich aufmerksam gemacht hatte, war ihm vor zwei Jahren ein interessantes Angebot unterbreitet worden, das er nicht ablehnte.
    Auf Grund seines Fleißes und guten Rufes als Psychologe und Psychotherapeut hatte er in den zuvor vergangenen zehn Jahren ein kleines Vermögen verdient, weshalb er nach dem Angebot des LKA seine stressige Privatpraxis schloss. Endlich hatte er Zeit und Muße, sich ganz und gar in die Psyche der Kriminellen zu vertiefen, um vielleicht bald ein Buch zu schreiben, wie es viele seiner Kollegen getan hatten, jedes davon ein Bestseller, da die Leser nach Tatsachenberichten aus dem Herzen der Finsternis dürsteten.
    Er hätte damit glücklich sein können.
    Doch in seinem Privatleben lief es schlecht.
    Obwohl er sich nach der Schließung seiner Praxis vermehrt Tochter und Frau widmete, oder vielleicht gerade deshalb, endete nach 14 Jahren Gemeinsamkeit mit Gabi Rieger, geborene Vollmer, die Beziehung in einem Desaster aus Eifersucht und Argwohn und ihre gemeinsame 13jährige Tochter Marlies litt wie jedes Trennungskind, was Mark in manchen Nächten den Schlaf raubte, so sehr quälte ihn das Gewissen.
    Er lebte alleine in einem kleinen Haus, das sie ihm gelassen hatte, da er sie jeden Monat fürstlich bedachte.
    Manchmal, wenn er sich mit sich alleine wähnte und seinen Dämonen begegnete, stellte er sich bewusst vor einen Spiegel und musterte sich kritisch. Er suchte das Zwiegespräch mit einem Bild, das mit seinem Inneren nicht harmonierte.
    Er erblickte einen gut aussehenden, dunkelhaarigen Mann mit markanten Gesichtszügen. Sein Körper war noch schlank, denn er joggte regelmäßig, trank nur mäßig Alkohol und ernährte sich gesund.
    Das war sein Abbild.
    Innerlich fühlte er sich wie ein Greis mit eingefallenen Gesichtszügen, hohlen Augen, einem messerschmalen Mund und vorspringendem Kehlkopf, den Kopf zwischen hagere Schultern gezogen, der ehemals schlanke, hochgewachsene Körper gebeugt.
    Als Fachmann für Geist und Seele wusste er, dass eine Vermischung dieser Bilder, die ein neues Spiegelbild schufen, welches so frappierend war, dass er schließlich den Blick abwandte,  ein ungesunder Zustand war. Ein Zeichen für Neurosen. Als Fachmann verfügte er allerdings auch über die Fähigkeiten, unangenehme Zustände zu verdrängen, was wiederum zu schlechten Träumen führte, in denen sich neuerlich sein Gewissen meldete, dieses Mal jenes des Psychologen.
    Nein, er war nicht glücklich.
    Einsam war er, einsam wie ein Kleinkind, das sich in einem dunklen Keller verlaufen hatte, ganz alleine und ohne Ausweg.

3
     
    Mit morbider Faszination betrachtete Mark wieder und wieder die Fotos. Sie gruselten ihn, sodass er sie nur mit spitzen Fingern nahm, als wären sie vergiftet. Unzweifelhaft hatte der Briefeschreiber die Fotos selbst geschossen, was bedeutete, dass Exfrau, Tochter und Eltern observiert worden waren. Außerdem hatte der Briefeschreiber nicht nur den Brief persönlich bei ihm eingeworfen, sondern einen Hund aufgehängt.
    Dieser hatte sich vermutlich gewehrt. Also schien es sich bei dem Verrückten um einen kräftigen Mann zu handeln, der in der Lage war, eine sich windende zuckende Masse Fleisch über einen Holzbalken zu hieven und das Seil zu verzurren.
    Er musste den Hund entsorgen.
    Und er musste sich zwei Zehen abschneiden.
    Um Haaresbreite hätte Mark gelacht. Was, wenn das alles nur der böse Scherz einer Person war, der er zu nahe getreten war, was nicht ausblieb, wenn man sich Verbrechern psychologisch näherte, in ihrer Seele kramte und nicht selten auf Dinge stieß, die nur mit sehr viel Professionalität zu ertragen waren.
    Morgen wäre vielleicht alles Schnee von gestern, doch er, Mark Rieger, hätte zwei Zehen weniger.
    Und was, wenn er den Brief ernst nahm?
    Was, wenn er seine Zustimmung verweigerte

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