Seidel, Willy: Alarm im Jenseits. Nn. 1927
si eifonga laßt. A so g'schwuin redt's' daher. Un' oziag'n tuat sie si zum Reißausnema. – Und tean tuat's nixn den liaben, langen Dog; nur bei der Nacht werd's munta . . .«
Sie schnappt den Mund zu, verschließt ihn hermetisch und blickt mich sanft erwartungsvoll an. Ich beschließe eine durchaus neutrale Haltung einzunehmen. – Da beugt sie sich vor und flüstert schärfer:
»A Skandal is. – Net amal katholisch san die. – San Sie katholisch, Herr Dokta?«
Ich bin protestantisch getauft, will ihr jedoch die Enttäuschung nicht bereiten, daß sie einem Ketzer gegenübersitzt. So sage ich denn:
»Ich bin ein Christ.«
»Dees is a no was«, sagt sie zaghaft, doch tolerant. »Aber de Gnäfrau is a Jüdin! – Jawui! –« Sie schwillt vor Begeisterung über diese Erkenntnis, die ihr offenbar gelegentlich selber gelungen. » Jud'n san dees! Un' ganz schlimme! – Orderdax oder wia ma's hoaßt! Wo's herkema, woas ka Mensch! – De sperr'n si ei mit da Schreibtafa un' ruaf'n an Geist! Ganz hoamli, ganz staad! D' Linda, dees Luada, schreibt Botschaft'n auf, und de Gnäfrau kriagt Mordskrämpf, weil's fest glaabt an den Schmarr'n!! – I hob's mein Kaplan g'sagt, ›Hochwürd'n,‹ sag' i, ›de zwoa zaabr'n da herin und do muaß i zuschaug'n! –‹ Sag' i. – Sagt a: ›Afra,‹ hat'r g'sagt, ›do muaßt di net kümmern drum,‹ sagt a, ›unser Herrgott laßt si net oschaug'n weg'n zwoa spinnete Weibsbild'r‹, sagt a. ›Mir is ja a gleich,‹ sag' i, ›bal's ma nur mein Glaam net vaderb'n. – Aba muaß dees sei, doß de Jud'n . . .‹ – ›Psch,‹ sagt a, ›do koscht nix mach'n, Afra. – Gibt halt solchene Leit', de wo ums Verreck'n net krischtkatholisch wer'n wuin‹, sagt a; ›sie haben ihren Lohn dahin.‹ – – Aba, wie g'sagt, mir is gleich, und Eana ko ja a nix pasir'n als an gebülten Menschen . . . I hob's Eana nur vazält, daß S' im Büld san . . . Und wos mit der Bibescu i'rm erschten Mo is, den wo s' allwei' zitiert . . .«
Weiter kommt die Gute nicht. Denn es klopft sehr spitz und dringend – (wer hätte jenen molligen Fingern solche Eindringlichkeit zugetraut!) – und ohne mein »Herein« abzuwarten, füllt Frau Bibescu den Rahmen der Tür aus.
Ihr Antlitz blickt hoheitsvoll. Und sich an Afra wendend, die schnell in die Höhe geht, spricht sie scharf akzentuiert: »Also hier find' ich Sie, Afra . . .« Ihr Blick ist gar nicht gemütlich; der Satz atmet sich nicht so recht aus und bleibt, von schneidendem Fragezeichen belastet, als Damoklesschwert in der Luft hängen. Die Alte strebt denn auch, steif, auf ihren borstigen Filzschlappschuhen der Tür zu; sie murmelt etwas von »in Rua los'n« und »gar so eilig«, und Frau Bibescu läßt sie passieren wie der Alte Fritz die Veteranenparade.
Hierauf schließt sich die Tür, und ich bin wieder mit dem wogenden Schillersamt allein, der sanfte Wellen schlägt und auf mich zuschwimmt wie ein seltenes Meeresgeschöpf, rar von Farbe und gefallsüchtig. Strotzend von Huld, quellenden Sirup in jeder Pore, läßt sie sich auf dem von Afra soeben verlassenen Sessel nieder; nicht auf der Kante nur wie jene, sondern sie schmiegt Mächtig-Sphärisches in Wohlig-Ausgebuchtetes, geht mit dem Sessel restlose Vermählung, ja: Verlötung ein, so daß ich mir die Mühe einer Loslösung mit womöglich dabei geschaffenen schelmischen Komplikationen schon schaudernd im voraus ausmale. – Da heißt es kein »Gestatten Sie?« oder »Störe ich?«; nein, sie sitzt; und sie wird nach menschlichem Ermessen auch noch sitzen, wenn der Dienstmann Zacherl kommt . . . Mit zwei Fingern stützt sie die Stirn, jeder Zoll hingegossene »Bedeutung«. Ein Lächeln, offenlippig und inhaltslos, jeder Verheißung voll, die eine schläfrige Phantasie stellen mag, bleibt auf dem klassischen Antlitz stehen. Und dann spricht sie mit tiefem Blick aus den leuchtend schwarzen Augen, so halb von unten herauf, mit einem Senkblick voll tastender Suggestion: »Na? . . . Gut geschlummert an fremdem Ort, Herr Doktor?«
O Gott, denke ich. Nun, ich muß mich zusammennehmen und auf den Kitsch eingehen; vielleicht finden sich später Mittel und Wege . . .
»Ausgezeichnet«, sage ich also mit fröhlicher, morgenfrischer Stimme. »Sie auch, gnädige Frau?«
Ihr Blick scheint an einem imaginären Senkblei zu zupfen; er wird leicht forschend; dann kommt es etwas zögernd: »Nun, es tut sich . . . Ich als enttäuschte, alte Frau schlaf schlecht, und dann
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