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Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)

Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)

Titel: Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael M. Bonelli
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Schuldgefühle bei traumatisierten Opfern auftreten, ist diese Klarstellung umso wichtiger.
    Eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt sich jedenfalls umso leichter, je niedriger die Resilienz ist. Deswegen lohnt es sich, die Frage zu stellen, was die Resilienz zu steigern vermag. Was also richtet unser inneres Stehaufmännchen nach einem Trauma schnell wieder auf? Was umgekehrt bringt es völlig aus dem Gleichgewicht? Am schwersten zu ertragen ist ein Trauma, bei dem uns Unrecht getan wurde, etwas leichter ist schon ein schicksalhaftes Ereignis als Ursache für unser Unglück, und deutlich leichter wird allgemein eine Unbill verkraftet, die man selbst zu verantworten hat. So gesehen ist hier also die subjektive Frage nach der Gerechtigkeit psychohygienisch relevant. Ungerechtigkeit und fremde Bosheit sind eine schwere Last am Köpfchen unseres Stehaufmännchens und können den ganzen Menschen destabilisieren.
    Nach den Forschungen Michael Lindens ist das subjektive Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein, das Kernelement der Verbitterung. Der ebenfalls bereits zitierte Joachim Bauer hat wiederum herausgefunden, dass Ungerechtigkeit in unserem Gehirn vom Schmerzzentrum verarbeitet wird. Der Schmerz wird unbewusst mit Aggression abgewehrt. Verbitterung und Aggression hängen eng miteinander zusammen: Der Verbitterte giert laut Aristoteles nach Rache: »Denn geübte Vergeltung beschwichtigt die Erregung, indem sie das Gefühl des Schmerzes durch ein Gefühl der Befriedigung ersetzt.« Aber oft ist seine Gier unersättlich, so viel Rache kriegt ein Mensch meist gar nicht hin. Das Problem ist eher, dass er – wieder nach Aristoteles – »schwer zu versöhnen« ist und »lange den Zorn festhält«. Er kann nicht verzeihen, nicht loslassen. Laut Aristoteles setzt dort, wo Aggression nicht ausreichend Rache nehmen kann, Verbitterung ein. Der Begriff »ausreichend« ist ein relativer: Michael Kohlhaas zum Beispiel nimmt exzessiv Rache, aber sie erscheint ihm nie ausreichend.
    Daraus kann man mehrere Schlüsse ziehen: Sich Ungerechtigkeit einzubilden oder innerlich zu konstruieren, wo es gar keine gibt, ist manifeste Selbstschädigung. Ein Therapeut, der ein vermeintliches Opfer in seiner unkritischen Fremdbeschuldigung bestärken würde, beginge einen Kunstfehler. Er fixiert seinen Patienten so in der schmerzhaftesten Position und provoziert dadurch chronische Aggressionen und Verbitterung.
    Auch folgt daraus, dass es psychotherapeutisch essenziell ist, bei tatsächlichem Fremdverschulden die fremde »Bosheit« durch eine entsprechende Interpretation möglichst zu neutralisieren. Je mehr das Fremdverschulden als Schicksalsschlag verstanden werden kann, umso mehr wird es nicht mehr als so böse, so giftig, so ungerecht erlebt.
    Damit ist gemeint, den Blick nicht auf das »Böse« des Täters zu fixieren – wie das Kaninchen vor der Schlange erstarrt. Natürlich braucht der eigene Schmerz eine Ausdrucksmöglichkeit. Aber die aggressive Fremdbeschuldigung ist eine Sackgasse. Denn fremde Bosheit – die zweifelsfrei ebenso existiert wie die eigene – kann von außen niemals umfassend beurteilt werden. Ein Auto kann in eine Schülergruppe fahren, weil die Bremsen versagen, weil der Fahrer unachtsam ist oder weil er bewusst morden wollte. Der Fahrer kann vielleicht in einem psychischen Ausnahmezustand sein, weil seine Mutter am Vortag zu Tode gekommen ist – das wissen wir alles nicht. Die Aufarbeitung seiner Bosheit oder seines Anteils ist in erster Linie Sache des Täters. Oder die des Richters. Psychodynamisch gesehen reduziert dieses innere Manöver der wohlwollenden Interpretation die Psychotoxizität, also das Seelengift des Traumas. Diese Haltung ist zwar noch nicht die hohe Kunst der Vergebung, steigert aber ebenfalls durch positives Denken die Resilienz.
    Dazu kommt die Erfahrung, dass es guttut, wenn ein Täter wirklich reuig um Verzeihung bitten kann, weil er damit offensichtlich selbst das Böse reduziert. Dann sieht man als Opfer, dass der Täter versteht, welchen Schmerz er verursacht hat. Der Täter ist damit wieder Mensch, ist wieder begreifbar und nachvollziehbar geworden. Die Entschuldigung des Täters verändert nicht das Stehaufmännchen – aber es mildert den Schlag ab, den das Männchen abbekommen hat. Je mehr man als Opfer zu verstehen versucht, dass der Täter vielleicht gar nicht so frei war, wie es schien, desto eher kann der Vergebungsprozess gelingen. Das ist ohne

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