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Selbs Justiz

Selbs Justiz

Titel: Selbs Justiz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Schlink , Walter Popp
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Mehlschwitze, dafür mit reichlich Sahne. Für 11
    Korten war der Lunch mit dem Rohkostsalat zu Ende.
    Während ich aß, kam er zur Sache.
    »Ich werde mich mit Computern nicht mehr be-
    freunden. Wenn ich die jungen Leute anschaue, die man uns heute von der Universität schickt, die keine Verantwortung tragen und keine Entscheidungen treffen können, sondern immer das Orakel befragen müssen, dann denke ich an das Gedicht vom Zauberlehrling.
    Fast hat es mich gefreut, als man mir vom Ärger mit der Anlage erzählt hat. Wir haben eines der besten Management- und Betriebsinformationssysteme der Welt. Ich weiß zwar nicht, wer das wissen will, aber du kannst am Terminal erfahren, daß wir heute im Blauen Salon Tafelspitz und Rohkostsalat essen, welcher Mitarbeiter gerade auf unserem Tennisplatz trainiert, die intakten und kaputten Ehen zwischen Angehörigen unseres Konzerns, und in welchem Rhythmus welche Blumen in die Rabatten vor dem Kasino gepflanzt werden. Und na-türlich verzeichnet der Computer alles, was Lohnbuchhaltung Personalabteilung und so weiter früher in ihren Ordnern hatten.«
    »Und was soll ich euch dabei helfen?«
    »Geduld, mein lieber Selb. Man hat uns eines der si-chersten Systeme versprochen. Das heißt Passwords, Zugangscodes, Datenschleusen, Doomsdayeffekte und was weiß ich. Erreicht werden soll mit alledem, daß niemand in unserem System herumpfuscht. Aber eben das ist passiert.«
    »Mein lieber Korten …« Bei der Anrede mit dem
    Nachnamen, gewohnt seit der Schulzeit, haben wir es 12
    auch als beste Freunde belassen. Aber »mein lieber Selb« nervt mich und er weiß das auch. »Mein lieber Korten, mich hat als Kind schon der Abakus überfor-dert. Und jetzt soll ich mit Schlüsselwörtern, Zugangscodes und Datendingsbums hantieren?«
    »Nein, was computermäßig abzuklären ist, ist erledigt. Wenn ich Firner richtig verstehe, gibt es eine Liste mit Leuten, die das Durcheinander in unserem System angerichtet haben können, und es geht nur darum, den Richtigen rauszufinden. Eben das sollst du tun. Ermit-teln, beobachten, beschatten, die passenden Fragen stellen – wie immer.«
    Ich wollte mehr wissen und weiterfragen, aber er wehrte ab.
    »Ich weiß selbst nicht mehr, alles Nähere wird dir Firner berichten. Laß uns während des Mittagessens nicht nur über diese leidige Angelegenheit sprechen –
    wir haben in den Jahren seit Klaras Tod so selten Gelegenheit gehabt, miteinander zu reden.«
    So redeten wir über die alten Zeiten. »Weißt du noch?« Ich mag die alten Zeiten nicht, habe sie wegge-packt und zugedeckt. Ich hätte aufmerken sollen, als Korten von den Opfern sprach, die wir haben bringen und fordern müssen. Doch das fiel mir erst viel später ein.
    Über die neuen Zeiten hatten wir uns wenig zu sagen. Daß sein Sohn Bundestagsabgeordneter geworden war, verblüffte mich nicht – schon früh hatte er sich alt-klug hervorgetan. Korten selbst schien ihn zu verachten, um so stolzer war er auf seine Enkelkinder. Marion 13
    war in die Studienstiftung des Deutschen Volkes aufgenommen worden, Ulrich hatte einen Preis von ›Jugend forscht‹ mit einer Arbeit über Primzahlzwillinge gewonnen. Ich hätte ihm von Turbo, meinem Kater, er-zählen können und ließ es bleiben.
    Ich trank den Mokka aus, und Korten hob die Tafel auf. Der Chef des Kasinos verabschiedete uns. Wir machten uns auf den Weg ins Werk.
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    3
    Wie eine Ordensverleihung
    Es waren nur ein paar Schritte. Das Kasino liegt gegenüber von Tor 1, im Schatten des Hauptverwaltungsgebäudes, das mit seiner zwanzigstöckigen Phantasie-losigkeit nicht einmal die Skyline der Stadt beherrscht.
    Der Direktorenlift hat nur Knöpfe für die Stockwerke 15 bis 20. Das Büro des Generaldirektors ist im 20.
    Stock, und mir gingen die Ohren zu. Im Vorzimmer überließ Korten mich Frau Schlemihl, die mich bei Firner anmeldete. Ein Händedruck, meine Hand in seinen beiden, statt »mein lieber Selb« ein »alter Freund« –
    dann war er weg. Frau Schlemihl, seit den fünfziger Jahren Kortens Sekretärin, hat für seinen Erfolg mit einem ungelebten Leben bezahlt, ist von gepflegter Ver-brauchtheit, ißt Kuchen, trägt eine nie benutzte Brille am goldenen Kettchen um den Hals und war beschäftigt. Ich stand am Fenster und blickte über ein Gewirr von Türmen, Hallen und Rohren auf den Handelshafen und das dunstblasse Mannheim. Ich mag Industrieland-schaften und möchte nicht zwischen Industrieromantik und Waldidyll entscheiden müssen.
    Frau

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