Selbst denken: Eine Anleitung zum Widerstand (German Edition)
ekelhaften Geduze, das den Kunden in genau dem infantilen Zustand anspricht, in den es ihn zu versetzen beabsichtigt.
Allein im 20. Jahrhundert wurde mehr Energie verbraucht als während der kompletten Menschheitsgeschichte davor. Im selben Zeitraum ist die Wirtschaft um das Vierzehnfache, die industrielle Produktion um das Vierzigfache angewachsen. [12] Die Menge an gekaufter Kleidung verdoppelt sich in den USA jahrzehntweise. [13] Aber wir verzeichnen nicht nur ein exorbitantes Mengenwachstum; viele Produkte fordern selbst immer mehr Material. Autos zum Beispiel verzeichnen über die letzten Jahrzehnte ein spektakuläres Wachstum. Ein VW Golf hat im Lauf seiner Bauzeit von 750 Kilogramm Gewicht auf 1,2 Tonnen zugelegt. Noch extremer ist der Mini. War der vor 40 Jahren tatsächlich klein und transportierte mit 34 PS und 617 Kilogramm Gewicht immerhin vier Personen, gibt es ihn heute als Limousine, Cabrio, Kombi, Coupe, Roadster und SUV, mit bis zu 211 PS und 1380 Kilogramm Gewicht.
Hypertrophie: Mini.
Die Größe des heutigen Mini übertrifft lässig die des einstigen Inbegriffs des Oberklasse-Sportwagens Porsche 911. Der wiederum ist in seiner aktuellen Ausbaustufe so breit wie 1960 der legendäre Mercedes 300, der »Adenauer-Mercedes«. Für solches hypertrophes Wachstum, das von den surrealen »Stadtgeländewagen« Audi Q7, BMW X5, Porsche Cayenne und so weiter noch locker übertroffen wird, sind die Straßen, die Parkbuchten und die Autobahnen mittlerweile zu klein geworden. Folgerichtig fordert die größte und mächtigste NGO Deutschlands, der ADAC, eine Verbreiterung der Überholspuren in Autobahnbaustellen (die sich natürlich vervielfachen würden, wenn diese Forderung umgesetzt würde).
Und derlei Monsterautos, die in der Regel nach wie vor nur eine einzige Person transportieren, gibt es heute pro Haushalt nicht mehr nur einmal, sondern gleich zwei- bis dreifach, und in denselben Haushalten finden sich sechs Flatscreens, eine Klimaanlage, ein amerikanischer Kühlschrank mit Eiswürfelbereiter (falls mal Dean Martin vorbeikommt) und überhaupt eine sogenannte Landhausküche, mit deren technischer Ausrüstung man zwei vollbelegte Jugendherbergen mühelos versorgen könnte.
In mehr als 70 Prozent der amerikanischen Haushalte findet sich eine Bohrmaschine. Deren Nutzungsdauer beläuft sich auf durchschnittlich 13 Minuten, insgesamt. [14] In Deutschland prognostiziert man für das Jahr 2012 einen Absatz von 10 Millionen Flatscreen-Fernsehern. [15] Die Nutzungsdauer bei elektronischen Geräten verkürzt sich, den unermüdlichen Ingenieuren sei Dank, rasant, und mittlerweile werden in den USA 40 Prozent und in Europa 30 Prozent der Nahrungsmittel als Dreck entsorgt, weil sie nur noch gekauft, aber nicht mehr konsumiert werden.
Sehr grün: Ökostromlabel, Auswahl.
Unermüdlich produziert die Nachhaltigkeitsindustrie Berechnungen und Labels zu Carbon footprints, ökologischen Rucksäcken, virtuellem Wasser und übersieht dabei völlig, dass alles dieses längst in Produkte eingeht, die erstens niemand braucht und die zweitens gar nicht mehr konsumiert, sondern nur noch gekauft und weggeschmissen werden. Oder so funktionieren wie die Abfallerzeugungsmaschinen vom Typ »Nespresso«. Erst setzt sich die Strategie am Markt durch, pro Tasse Kaffee eine aufwendige Kunststoffkapsel mit zu verkaufen, um so das Produkt mit einem exorbitanten Preis und einem noch grandioseren Müllfaktor versehen zu können. In den bis zu 43 Cent teuren Kapseln sind je nach Hersteller zwischen sieben und sechzehn Gramm Kaffee enthalten; das Pfund Kaffee kommt da auf 30 Euro. Die Kaffeemaschinen sind dagegen vergleichsweise günstig, weshalb allein in Deutschland im Jahr 2011 mehr als eine Million Kapselkaffeemaschinen verkauft wurden. [16] Für die Umweltkosten der Kapseln liegen mir keine Berechnungen vor, aber es war natürlich nur eine Frage der Zeit, bis jemandem auffiel, dass hier eine veritable Öko-Schweinerei vorliegt. Folgerichtig begann man, Ökokaffeekapseln für die Kapselkaffeemaschinen herzustellen. Schwupps konnte ein Produkt als »umweltfreundlich« gelten, das es vor kurzem noch gar nicht gab und das ausschließlich aufgrund seiner Inexistenz umweltfreundlich war. Die nächste Stufe hat Nestlé bereits eingeläutet (siehe unten).
BabyNes: Es handelt sich bei der abgebildeten Person nicht um eine Ministerin.
Wahrscheinlich haben Sie beim Lesen der letzten Seiten das Gefühl gehabt,
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