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Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben

Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben

Titel: Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
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okay, die Herren?«
    Der Mann bei der Wohnmobilvermietung hatte ein markantes Lächeln im Gesicht; es war mindestens so falsch wie unser Nicken. Wir hätten alles abgenickt, selbst »Fahren Sie nur im ersten Gang und verlassen Sie die Stadt nicht«, Hauptsache, wir kamen vom Hof.
    Das Wohnmobil war brandneu, beige und sechs Meter lang. Weder Uwe noch ich konnte so ein Ding fahren, aber damit würden wir uns beschäftigen, wenn wir es geschafft hatten, vom Gelände zu kommen, ohne alles in Schutt und Asche zu legen. Sievers schien ohnehin scharf drauf zu sein – aufs Fahren, auf den Schutt und auf die Asche.
    Apropos Asche. Drei Wochen. Spanien und Nachbarländer UND 2000 Kilometer Limit. Dass das irgendwie nicht aufging, war mir bereits am Tag der Abreise klar. Sievers’ Eltern wohl eher nicht. Aber denen war es vermutlich egal, solange sie ihren Sohn anständig betreut wussten.
    Sievers klemmte sich hinters Steuer und schaffte uns und den Flugzeugträger vom Hof. Direkt hinter der Ausfahrt riss er sich eine Dose Bier auf.
    Â»Auch einer?«
    Â»Halt mal an«, sagte Uwe. Wir waren übereingekommen, Sievers mit ausgesuchter Höflichkeit zu begegnen, bis wir das Meer sahen. Er konnte extrem empfindlich sein.
    Sievers bremste ruckartig.
    Â»Ja was?«
    Â»Du kannst hinterm Lenker kein Bier trinken«, erklärte Uwe, als spräche er mit einem Kind.
    Â»Warum nicht?«
    Â»Es ist komischerweise verboten«, kam ich Uwe zu Hilfe. »Irgendein Vollpfosten hat verfügt, dass man sich hinter dem Steuer stählerner, dahinrasender und starrer Hindernisse nicht das Hirn wegsaufen darf. Warum, erschließt sich mir auch nicht, aber vielleicht halten wir uns einstweilen dran.«
    Â»Kein Problem«, erwiderte Sievers gönnerhaft und warf schwungvoll die volle Dose aus dem Fenster.
    Â»Wo ich gerade so vor mich hin plappere«, fügte ich an, »es gereicht uns möglicherweise zum Nachteil, wenn wir einem Passanten eine Schädelfraktur zufügen.«
    Â»Da sind aber keine Passanten. Meinst du, ich bin blöd?«
    Â»Nicht doch«, sagte Uwe. »Los geht’s.«
    Läuft wie am Schnürchen, dachte ich. 80 Meter Strecke lagen schon hinter uns.
    Irgendwann legte Sievers eine Kassette ein. Uwe bevorzugte damals Bausparkassenhardrock von den Scorpions, ich Sinatra oder Pop oder Soul oder Filmmusik.
    Sievers mochte Reggae.
    Uwe hasste Reggae. Ich hasste Reggae. Ich verspürte beim Hören dieser Musik immer den Wunsch, »Könnt ihr mal ein bisschen zügiger singen, ihr Kiffer!« zu brüllen, und für Uwe war es wie ein Buch mit sieben Siegeln. Reggae erschloss sich ihm ebensowenig wie Zwölftonmusik.
    Sievers störte das weniger. Er sang Buffalo Soldier mit.
    Wir erreichten die Grenze zu Frankreich. Sievers sang Buffalo Soldier mit.
    Passierten sie.
    Sievers sang Buffalo Soldier mit.
    Landstraße. Unendliche Weiten.
    Sievers sang Buffalo Soldier mit.
    Â»Sag einmal«, fragte Uwe unter größten Anstrengungen, sich zu beherrschen, »ist da außer diesem Lied noch was anderes auf der Kassette?«
    Â»Nö«, sagte Sievers und riss sich ein Bier auf. »Ist mit die beste Platte.«
    Â»Sie führt zu dezenten Abnutzungserscheinungen«, sagte ich liebenswürdig.
    Der Kilometerzähler zeigte 600 gefahrene Kilometer an.
    Â»Ich find’s geil«, sagte Sievers und nahm einen Schluck. »Auch einer?«
    Â»Ja, ich nehme eins«, sagte Uwe. »Ich muss ja nicht fahren.«
    Â»Ich glaube, im Ausland ist das so ähnlich mit dem Alkoholverbot im Auto«, sagte ich, und dachte: schlimmer nämlich. Sie werden uns aus der Karre zerren und in irgendeinem Knast im französischen Nirgendwo verrotten lassen. Sievers würde uns alle überleben, von seinen Reserven zehren und Buffalo Soldier singen, was sich, nebenbei bemerkt, anhörte, als rapple man an der Tür eines Vogelkäfigs.
    Â»Jetzt ’ne Tüte rauchen«, sagte Sievers irgendwann.
    Uwe und ich sagten nichts.
    Sollte er sich doch nach Drogen sehnen, bis ihm das Wasser in die Schuhe lief. Immerhin war dasjenige, worum wir Sievers vor der Abreise am eindringlichsten gebeten hatten, der Verzicht auf die Mitnahme jeglicher Drogen gewesen. Nichts. Nicht das kleinste Fitzelchen. Bitte, bitte. Wir stellten ihm in Aussicht, dass er ja vor Ort, also irgendwo an spanischen Stränden, nach Haschisch Ausschau halten könne. Das

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