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Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben

Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben

Titel: Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
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wäre seine Privatsache. Ich sah ihn allerdings schon mit dem Gesicht nach unten im Sand liegen, einen Stiefel der örtlichen Policía im Nacken, aber dann wären Uwe und ich hoffentlich ganz woanders.
    Â»Nimm dir auch ein Bier«, ermutigte Uwe mich. Vergebens. Ich rauchte nicht, ich trank kein Bier – und ich war stolz darauf.
    Â»Bier ist bitter«, erwiderte ich und dachte: aber nicht so bitter wie das hier.
    Â»Im Verhältnis zu Cola und Tritop stimmt das«, mischte Sievers sich ein. »Davon abgesehen ist es ein herbes, kühles Vergnügen.« Er rülpste zur Untermauerung seiner kleinen Promotion.
    Â»Ich würde jetzt echt gern eine Tüte rauchen«, fügte Sievers hinzu.
    Uwe und ich nickten versonnen, wobei ich mich fragte, ob das jetzt das Mantra der nächsten drei Wochen war: Buffalo Soldier und die permanente Absichtserklärung, sich die Rübe dunkel zu kiffen.
    700 Kilometer.
    Wir durchquerten Frankreich, jeder gefahrene Zentimeter kommentiert von Bob Marley mit Sievers im Background, und ich fläzte mich in das Schaumstoffbett am hinteren Ende.
    Mein Darm schlug an.
    Da wir auch übereingekommen waren, unter keinen Umständen die chemische Toilette zu benutzen, meldete ich im Cockpit eine Pause an.
    Â»Was musst du denn?«, fragte Sievers, ohne die Augen von der nächtlichen Straße zu nehmen.
    Â»Wie meinen?«
    Â»Na, was du musst.«
    Â»Inwiefern ist das von Relevanz?«
    Uwe legte mir beschwichtigend seine Hand auf die Schulter.
    Â»Na Groß? Musst du Groß?«
    Theodor Fontane, Frank Sinatra, Hemingway, Steven Seagal, Conan der Barbar. Männer von altem Schrot und Korn. Ich wettete sämtliche sechshundert Bata-Illic-Platten meiner Oma, dass niemand von ihnen jemals diese Frage hatte beantworten müssen.
    Fontane hätte sich abgewandt, Sinatra hätte Sam Giancana gebeten, es wie einen Unfall aussehen zu lassen, Hemingway hätte begonnen, seine Schrotflinten zusammenzusuchen, Steven Seagal hätte kurz aufgelacht und dem Fragenden den Daumen durchs Ohr ins Hirn getrieben, und Conan hätte die Frage vermutlich nicht verstanden – aber klar beantwortet hätte sie keiner von ihnen.
    Preis für drei Wochen Spanien: 3000 Mark, Bob Marley und Gelaber, gestiftet von Sievers. Taube Ohren und Ignoranz, gestiftet von Uwe. Selbstwertgefühl, neuwertig, fast unbenutzt, gestiftet von mir.
    Â»Groß«, presste ich hervor.
    Â»Dann steuere ich einen Rastplatz an. Kommt mir ganz gelegen.«
    Ich fragte mich, ob ich im Falle von »Klein« in rasender Fahrt durch die Dachluke hätte strullen müssen, ging nach hinten und suchte meine Schuhe.
    Die Franzosen hatten es auf Rastplätzen nicht so mit ausufernder Keramik, ging mir wenig später auf; die Toilettenboxen enthielten erstmal nichts. Der Boden zeigte lediglich zwei geriffelte Rechtecke, wo die Füße hinsollten, und dazwischen ein Loch, das ins Nirgendwo führte. Back to Basic, dachte ich und ließ die Buxe runter.
    Ich hockte da wie ein Skispringer und lauschte auf die Fragen meines Körpers. »Was soll das? Was wird das hier? Setz dich ordentlich hin, Junge. Sind wir hier bei den Apachen?«
    Eine Sekunde später wurde die nicht abschließbare Tür aufgerissen; Glück im Unglück. Der Mann war zwar da, sprach aber deutsch.
    Â»Ist hier noch frei?«
    Ich hob sehr langsam den Blick.
    Â»Natürlich. Ich warte nur rasch auf das Signal für den Absprung.«
    Â»Bitte?«
    Â»Verpiss dich!«
    Der erste Tag war rum. Es konnte nur besser werden.
    Ich erwachte am frühen Morgen. Ein ungewohnt sanftes Rütteln weckte mich. Der Buffalo Soldier war ebenfalls bereits wach, falls er je geschlafen hatte. Irgendetwas zischte zudem.
    Rütteln und Zischen. Rütteln und Zischen.
    Was war das hier? Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer?
    Ich erhob mich; komisch, in Unterhose durch ein Auto zu laufen. Das hatte was von nackt in einem Intercity aufwachen. Bizarr, aber wenn ich lange genug mit den beiden zusammenblieb, kam sicher auch das noch dran.
    Uwe schlief in der Koje über dem Fahrerhaus. Die Sicht durch die Panoramawindschutzscheibe zeigte eine nichtssagende Autobahn, wurde allerdings in Teilen vom Auslöser des Zischens verdeckt.
    Der Wasserpfeife.
    Â»Bist du völlig bescheuert, Sievers?« Ich fasste es nicht.
    Â»Was denn?« Er riss den Blick von der Straße und sah mich an. Seine Pupillen

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