Sense
mit einer Schnute, wie geschaffen zum Halten eines Schnullers und der ganzen Attitüde, die man gemeinhin mit blauem Blut verbindet. Überflüssig, zu sagen, dass wir uns, vorsichtig ausgedrückt, nicht mochten) lag mitten im Stadtzentrum, nur einen Steinwurf weit von meinem Lieblingskino, der >Lichtburg<, entfernt. Leider spielten sie da nur alle Jubeljahre mal einen Film, der mir gefiel, so dass ich mich kaum erinnern konnte, wann ich das letzte Mal da drin gewesen war. Ich grübelte und grübelte, bis es mir wieder einfiel. Genau. >Die Nackte Kanone<, dritter Teil. Vor dem Reingehen schön einen gepafft und anschließend atemlos vor Lachen wieder rausgekommen.
Bumms, da wäre ich doch beinahe an der Haustüre zur Kanzlei vorbeigeschusselt. Mein vorausahnendes Unterbewusstes, nehme ich an. Mein zweites Gesicht. Mein angeborener Riecher für Trouble.
Ich ging rein, ignorierte den Lift und nahm die vier Stockwerke Treppenhaus in Angriff. Wie ich Aufzüge hasse! Wenn sich diese Türen schließen - wie im Knast: Als ob sie nie wieder aufgehen wollten. Außerdem bilde ich mir ein, dass Treppensteigen eine gute Übung für mich sei, komme ich doch ansonsten kaum dazu, Sport zu treiben. Mein sonstiges Treiben beansprucht meine Zeit nahezu vollständig.
Völlig atemlos, wie nach der ganzen >Nackte Kanone< -Trilogie am Stück, wenn auch nicht vor Lachen, kam ich oben an und stützte mich erschöpft gegen den Klingelknopf. Beinahe augenblicklich wurde die Türe aufgerissen, und die blauen, blauen Augen meiner Anwältin und . guten Bekannten blitzten mich an wie die Lichthupe eines Anonymen Autobahnikers.
»Kommst du auch schon?«, fragte sie ebenso barsch wie auf >schon< pointiert und zog eine Braue hoch, was sie ganz reizend macht. Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte sie sich einfach um und stolzierte vor mir den Flur hinunter, wobei sie es mir überließ, die Türen zu schließen und ihren kleinen, runden Arsch unter dem kurzen, eleganten Rock zu bewundern. Nachdem ich auch die Türe zu ihrem eigentlichen Büro hinter mir zugemacht hatte, lehnte ich mich rücklings dagegen und versuchte, flach und gleichmäßig zu atmen. Treppensteigen wird noch mal mein Ende sein.
Einen Augenblick lang stand sie mit dem Rücken zu mir da, und ich konnte hören, wie sie sich nervös mit einem Fingernagel gegen die Schneidezähne klopfte, bevor sie zu mir herumfuhr und dabei ihre goldenen Locken durcheinander wirbelte. Sie war fast so groß wie ich, und von ihrem kleinen, störrischen Gesicht mit den Sommersprossen um die Nase bis hinunter zu ihren zierlichen Füßen in diesen hochhackigen Dingern, in denen die wenigsten vernünftig laufen können, war sie eine der schönsten Frauen, die ich kannte. Und sie wusste das.
Sie musterte mich wie Alice Schwarzer einen Exhibitionisten. »Bei Gott«, stellte sie nüchtern fest, »du siehst beschissen aus.« Kein Blatt vor dem Mund, so war sie immer schon.
»Was soll das sein«, fragte sie mit einer Geste, die meine ganze Gestalt umriss, von meinem großen, gutmütigen Gesicht mit den Stoppeln um das Kinn bis hinunter zu meinen ausladenden Mauken in diesen abgelatschten Trainern, in denen die wenigsten freiwillig herumlaufen würden, »Grunge? Der abgerissene Schmuddel-Chic? Wo sind dann deine lila Dread-locks? Wo die Piercings? Wo bleibt der unvermeidliche Köter?«
Ich wollte sie gerade mit einem schlagfertigen >Ähm< bremsen und dann sanft mahnen, doch zur Sache zu kommen, als Loftheide hereinschneite, von Kopf bis Fuß der perfekte Schwiegersohn für Frau Honorarkonsul, um sich eine Akte zu holen.
»Ah, Kryszinski«, meinte er mit geheuchelter Freundlichkeit, und, im Hinausgehen: »Mal wieder auf Recherche im Obdachlo
senmilieu? Respekt, phantastische Tarnung. Bis ins« - er rümpfte die feine, hoch sitzende Nase - »Detail.«
Und weg war er wieder.
Ich merkte ihn mir vor. Wofür auch immer, ich merkte ihn mir vor.
»Er hat Recht«, meinte Veronika, »du riechst. Wo um alles in der Welt hast du geschlafen? In einem Altglascontainer? Oder hast du etwa morgens schon getrunken?« Sie blickte inquisitorisch.
Morgens schon getrunken, dachte ich. Ich hatte noch nicht mal 'nen Kaffee.
»Kristof, wenn du so weitermachst, sehe ich dich schon bald mit der Zweiliterbombe am Säuferbrunnen herumhängen.«
Das Telefon unterbrach diesen netten, kleinen Exkurs in meine mögliche Zukunft, und während sie eine ganze Weile in den Hörer sprach und sich auf einem Block Notizen machte, sah ich ihr
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