Sepp und das Millionending
davon.
Der dicke Willem verfolgte ihn mit den Augen und überlegte fieberhaft:
Wohin mag er wohl gehen? Weit? Oder bleibt er in der Nähe? Kommt er zurück? Wenn ja — wann? Soll ich ihm folgen — oder soll ich lieber die Hütte durchstöbern? Vielleicht hat er darin noch den gestohlenen Dürer-Stich versteckt — na ja, falls er überhaupt der gesuchte Bilderdieb ist... Oder hat er ihn mitgenommen? Unter seinem Pullover versteckt? Nein, dann hätte ich doch beobachten müssen, wie er ihn daruntergeschoben hätte... Und dann — wozu sollte er auch, jetzt damit verschwinden, mitten in der Nacht! Bei dem Hundewetter!
Der Mann hatte inzwischen den Vorplatz vor der Jagdhütte überquert und war in einen schmalen Waldweg eingebogen. Bis dahin folgte ihm Willem, und hinter einem Fichtenstamm verborgen, beobachtete er, wie der Mann diesen leicht abschüssigen Weg hinuntereilte.
Eines ist so klar wie Kloßbrühe: Der Kerl treibt sich nicht hier in der Nähe des Blockhauses herum, sondern er will weiter weg. Wohin — weiß ich nicht. Sicherlich dauert es so lange, daß ich mich inzwischen mal kurz in der Hütte umschauen kann. Vielleicht finde ich etwas, was ihn restlos überführt...
So dachte der dicke Willem. Hier, wo er fast zwei Stunden Fußweg von der nächsten Polizeidienststelle entfernt war, fühlte er sich selbst dazu berufen, einen Fall zu klären, bei dem die Polizei bis jetzt noch im dunkeln zu tappen schien. Willem wartete gerade noch ab, bis sich der Mann im Schwarz der Nacht verlor. Dann kehrte der Junge geschwind zur Jagdhütte zurück.
Obwohl er Zeuge gewesen war, wie der Mann abgeschlossen hatte, drückte er dennoch die Klinke hinunter und rüttelte die Tür hin und her. Aber sie gab nicht nach, was Willem übrigens auch nicht erwartet hatte. Er wollte sich vielmehr durch diesen Versuch nur davon überzeugen, daß er auf diese bequeme Art nicht ins Blockhaus eindringen konnte.
Der Junge bog um die Ecke und machte vor dem Fenster halt, von dem aus er den Mann in der Hütte beobachtet hatte. Er stellte sich auf die beiden Konservendosen und griff nach der Schnur, mit der die Läden zugezogen waren. Doch der Versuch mißlang. Die Schnur hing zwischen den oberen Rippen der Holzläden, und Willem reichte mit seinen ausgestreckten Armen nur bis zur Mitte.
Kein Problem! sagte er sich. Jetzt, da kein Mensch mehr in der Hütte ist, brauche ich nicht mehr so vorsichtig vorzugehen...
Mit dem einen Fuß suchte er sich einen Halt auf einem vorspringenden Brett der Hüttenwand und zog sich dann mit beiden Händen am Laden hoch. Während er sich mit der einen Hand festhielt, untersuchte er mit der anderen die Verschnürung.
Verflixt noch mal! dachte er. Der Kerl hat so viele Knoten gemacht, daß man sich überhaupt nicht darin zurechtfindet.
Deshalb sprang der dicke Willem wieder hinunter, holte aus der Hosentasche ein Klappmesser heraus und öffnete es. Dann kletterte er erneut an der Wand hoch und zerschnitt kurzerhand die Schnur. Der Wind fing sich so heftig in den beiden Läden, daß sie mit einem Schlag auseinanderflogen. Willem verlor den Halt, rutschte ab und plumpste zu Boden. Doch ebenso geschwind war er wieder auf den Beinen.
Was jetzt folgte, ging mühelos vor sich. Da die untere rechte Scheibe des in sechs Rechtecke aufgeteilten Fensters zerbrochen war, konnte er sich leicht am Fensterkreuz hochziehen. Von außen langte er mit dem rechten Arm hinein und zog den Griff herunter. Mit einem Schwung hockte Willem gleich danach auf der Fensterbank und sprang dann in den einzigen Raum der Jagdhütte hinein. Willem war ehrlich genug, sich einzugestehen, daß ihm jetzt doch mulmig zumute war, aber er hatte diesen Schritt nun einmal getan und wollte nicht kehrtmachen, bis er sich Gewißheit verschafft hatte.
Was er auf den ersten Blick erfaßte, war die Unordnung in der Jagdhütte. Von den zweistöckig übereinandergebauten Betten war das untere durcheinandergewühlt und das Fußende so verschmutzt, als habe der Mann mit den Schuhen darin gelegen. Teller, Tassen, Kessel, Pfannen, Bestecke — alles mit Eßresten verschmiert — türmten sich im Spülstein unter der Wasserpumpe. Der Staub lag auf der Petroleumlampe, als sei sie ewig nicht mehr geputzt worden.
Das bestätigte dem Jungen nur: Eigentümer dieser Jagdhütte war der Mann nicht, denn als Eigentümer hätte er sie bestimmt nicht so verkommen lassen.
Aber Willem war ja nicht ins Blockhaus eingedrungen, um sich über dessen Zustand zu
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