Sepp und das Millionending
Verfolger hatte er abgeschüttelt. Nur auf der Landstraße bemerkte er noch die eingeschalteten Scheinwerfer und Heckleuchten des Volkswagens, und er hörte den Motor im Leerlauf tuckern. Der Fahrer hatte ihn nicht abgestellt, als er Hals über Kopf aus dem Wagen gesprungen war, um dem Ausreißer zu folgen.
Der dicke Willem schnaufte wie ein Walroß: die Flucht hatte ihn außer Atem gebracht. Doch das kümmerte ihn wenig. Er war stolz, es geschafft zu haben! Und als er dann noch den Volkswagen davonfahren hörte, wußte er, daß ihm nun tatsächlich keiner der drei mehr auf den Fersen war.
Jetzt nichts wie hin zur Polizei! dachte er. Oder wenigstens zum nächsten Telefon!
Den Wald zu durchqueren, hielt er nicht für ratsam. Denn wo und wann er dort auf ein Dorf stoßen würde, war ungewiß. Willem tat das einzig Richtige: Er kehrte im Laufschritt zur Landstraße zurück und lief dann in der Richtung weiter, aus der er vorher mit dem Wagen gekommen war. Denn er erinnerte sich an ein paar verstreute Häuser, die er im Vorbeifahren wahrgenommen hatte, ungefähr einen Kilometer entfernt.
Er hatte jedoch erst die halbe Strecke zurückgelegt, als die Scheinwerfer eines herankommenden Fahrzeugs auf leuchteten. Und gleich darauf nahm Willem auch das nervös blinkende Blaulicht auf dem Dach des Wagens wahr.
Polizei! fuhr es ihm blitzschnell durch den Kopf. Das kann nur ein Streifenwagen sein...
Je mehr sich das offenbar mit hoher Geschwindigkeit fahrende Fahrzeug näherte, desto überzeugter war der dicke Willem von seiner Annahme. Er sprang mitten auf die Straße, so daß ihn der Lichtkegel der Scheinwerfer voll erfaßte, und winkte heftig mit beiden Armen. Deutlich erkennbar verringerte der Streifenwagen seine Geschwindigkeit und bremste dicht vor dem Jungen ab. Willem rannte auf die heruntergekurbelte Scheibe neben dem Fahrer zu. Aber noch ehe er zu Wort kam, fragte ihn einer der vier Polizisten aus dem Wagen heraus: „Was ist denn mit dir los, Junge? Was willst du denn?“
„Suchen Sie einen dunkelgrauen Volkswagen mit dem Kennzeichen K—DZ 172?“ keuchte Willem.
„Ja. Hast du ihn vielleicht gesehen?“
„Und ob! Ich habe sogar dringesessen!“
Überrascht horchten die Polizisten auf, und der eine unter ihnen, der bisher die Unterhaltung mit Willem geführt hatte, fragte ihn jetzt:
„Dann bist du also der Junge, den die drei Männer entführt haben?“
„Ja, und erst vor wenigen Minuten ist es mir gelungen abzuhauen.“
„Das hast du großartig gemacht! Die Sorge um dich haben wir weniger. Jetzt können wir rücksichtsloser gegen die drei Männer vorgehen. In welche Richtung ist der VW weitergefahren?“
„Immer geradeaus“, antwortete Willem und deutete nach vorn. „Sie wollten zur Grenze.“
„Und wohin willst du?“
„Ich wollte zum nächsten Telefon, die Polizei alarmieren.“
„Nicht mehr nötig“, erklärte der Polizist lächelnd. „Das hat alles schon dein Freund Sepp besorgt.“
„Das hätte ich mir denken können. Sepp ist auf Draht!“
„Sämtliche Polizeidienststellen hier in der Gegend bis zur Grenze sind über den Fall unterrichtet, und mehrere Streifenwagen sind, so wie wir, unterwegs. Weit können die drei Männer nicht kommen.“
„Ich möchte gern dabei sein, wenn Sie die drei schnappen“, sagte Willem mit leuchtenden Augen. „Bitte, Herr Wachtmeister!“
„Na schön.“ Der Polizist nickte. „Wir hätten dich sowieso mitgenommen — dann kannst du auch bei der weiteren Verfolgung dabeibleiben. Steig also ein, Junge! Vielleicht kannst du uns helfen.“
So flink war der dicke Willem noch nie in ein Auto gestiegen wie diesmal! Die Aussicht auf eine spannende Verbrecherjagd beflügelte ihn.
Sein Wunsch, dabei die Hauptrolle als unüberwindlicher und kugelsicherer Superheld spielen zu können, ging allerdings nicht in Erfüllung. Aber was er erleben sollte, reichte aus, ein Jungenherz höher schlagen zu lassen.
Erst seit wenigen Minuten hatten sie die Verfolgung wieder aufgenommen, als der Besatzung des Streifenwagens über Polizeifunk folgendes durchgegeben wurde:
„Achtung, Achtung! An alle Polizei-Streifenwagen. Der dunkelgraue VW mit dem Kennzeichen K—DZ 172 ist auf halber Strecke zwischen Daun und Bitburg gesehen worden. Als ihn eine Polizeistreife stellen wollte, wendete der Wagen und raste mit Höchstgeschwindigkeit die Bundesstraße 257 zurück. Die Verfolgung wurde sofort aufgenommen. Größte Vorsicht ist geboten! Es wird vermutet, daß die
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