Sepp und das Millionending
Mit „Ritter, Tod und Teufel” fing alles an
„Das hat uns noch gefehlt!“
„Typisch Pöttgen!“
„Uns ausgerechnet ins Museum zu jagen...!“
„Bei dem tollen Wetter...!“
So und ähnlich lauteten die Äußerungen der Schüler aus der neunten Klasse des Beethoven-Gymnasiums. Kein einziger schien begeistert zu sein von der Aufgabe, die ihnen ihr Klassenlehrer, Studienrat Dr. Pöttgen, soeben am Ende der Deutschstunde gestellt hatte:
„Nun, Jungs, Freitag wollen wir wieder einmal eine Klassenarbeit schreiben, und zwar einen Aufsatz. Das Thema nenne ich euch jetzt schon, nämlich: Mein Eindruck von der Dürer-Ausstellung und von ‚Ritter, Tod und Teufel’. — Ihr wißt sicher alle, daß bereits seit zwei Wochen im Museum eine bedeutende Dürer-Ausstellung gezeigt wird. Von diesem großen deutschen Meister von der Wende des 15. zum 16. Jahrhundert hat bestimmt schon jeder von euch gehört. Erst kürzlich hat Herr Dr. Pischler euch einiges über ihn in der Zeichenstunde erzählt. Aber wie gesagt: Ihr sollt nicht über Dürer selbst schreiben, sondern über die gesamte Ausstellung und dabei vor allem über den berühmten Kupferstich ,Ritter, Tod und Teufel’. Mit anderen Worten ausgedrückt: Als Höhepunkt eures Besuchs der Dürer-Ausstellung sollt ihr dann dieses Bild beschreiben. Und um das zu können, müßt ihr es euch vorher gründlich anschauen. Bis einschließlich Donnerstagnachmittag, also vier Tage, habt ihr Zeit, das Museum zu besuchen und euch schon Gedanken über das Thema zu machen. Ihr sollt dann am Freitagmorgen das Bild aus dem Gedächtnis heraus genau beschreiben und gleichzeitig ausdrücken, was ihr beim Betrachten empfunden habt: Ob es euch gefällt oder nicht, und warum oder warum nicht; ob es euch packt oder kalt läßt und so weiter. Am besten geht ihr mehr als einmal ins Museum. Sagen wir etwa zweimal, zum Beispiel gleich heute nachmittag und am Donnerstagnachmittag noch einmal, damit sich alles besser einprägt. Aber das ist nur ein Vorschlag. Jeder von euch kann das so machen, wie er’s für richtig hält
Das hatte Studienrat Dr. Pöttgen seinen Schülern erklärt.
Ein Stöhnen und Seufzen war daraufhin durch die Reihen gegangen, und die Gesichter waren lang und länger geworden.
Zwei Minuten später hatte es geklingelt: die Deutschstunde und damit auch der Unterricht waren zu Ende. Während die Jungen über den Schulhof hinaus auf die Straße strömten, konnten sie endlich ihrem Herzen Luft machen.
„Also zweimal bringt mich schon überhaupt keiner ins Museum“, schnaubte der dicke Willem, der mit seinen fast fünfzehn Jahren der Älteste war. „Noch nicht mal zehn Pferde!“
Männe nickte kräftig, da er der gleichen Ansicht war, und erklärte: „Heute schon gar nicht. Warten wir lieber bis zum letzten Tag. Vielleicht überlegt es sich der Pöttgen noch bis dahin und läßt uns über was anderes schreiben.“
„Ja, zum Beispiel über ein Fußballspiel“, warf der dicke Willem lebhaft ein.
„Das wäre die Masche!“
Flöhchen strahlte wie ein Dreikäsehoch unterm Weihnachtsbaum, als er Willems Worte begeistert bekräftigte.
„Am Donnerstagabend spielt der 1. FC Köln gegen Inter Mailand“, fuhr Willem fort. „Das wäre ein Bombenthema! Darüber könnte ich das ganze Heft vollschreiben.“
Genauso schien Flöhchen über den Dürer-Aufsatz zu denken, denn er schnitt ein trübes Gesicht, als er seufzend gestand: „Über ein Bild bringe ich keine drei Seiten zusammen — und über die ganze Ausstellung bestimmt auch nicht viel mehr.“
„Bilder sind zum Anschauen da und nicht zum Beschreiben“, behauptete Männe und schloß mit dem Vorwurf: „Was den Lehrern alles so einfällt!“
Schülersorgen sind auf der ganzen Welt gleich, und meistens tragen an diesen Sorgen die Lehrer die Schuld. So jedenfalls denken die Schüler, und die Lehrer tun gut daran, es ihnen nicht krummzunehmen.
Während die Jungen noch weiter über Dr. Pöttgen und seinen Dürer nörgelten, fiel dem dicken Willem plötzlich auf, daß sein neuer Freund Sepp überhaupt noch nichts zur Unterhaltung beigesteuert hatte. Deshalb wandte er sich nun an ihn mit der Bemerkung: „Nanu, Sepp, du piepst ja keinen Ton! Denkst du vielleicht nicht so wie wir?“
„Erraten, Willem! Wenn wir heute nachmittag ins Museum gingen, hätten wir’s hinter uns.“
„Kommt nicht in die Tüte! Aber wenn du willst, kannst du ja allein hingehen.“
„Nun sei nicht wieder gleich eingeschnappt, Willem!“
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