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September. Fata Morgana

Titel: September. Fata Morgana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Lehr
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weit draußen in der Steppe herum) schleppt hat gewonnen die Buskaschi-Pferde jedenfalls sollen der Meinung der Chinesen zufolge göttlichen Ursprungs sein aber was glauben die Chinesen eigentlich nicht
    die Steppe bleibt
    mit ihren Ruinen als wäre sie nie etwas Neues gewesen keine
    Verheißung von Zukunft von Vergangenheit wir besuchen Herat im Nordwesten wir umkreisen das ganze Land grüne Täler umschließen Herat die vom Sturm und Regen wie eine riesige Sandburg dreiundzwanzig Jahrhunderte lang gepeitschte und ausgewaschene Zitadelle die Alexander der Große bauen ließ wir folgen den Flussläufen weiter nach Norden durch den grauen mehligen golden flimmernden Staub der in jede Pore und Ritze dringt in die Augenwinkel Nasenlöcher Ohren unter die Fingernägel Staubstraßen Staubberge Staubhäuser Menschen aus Staub auf staubgelben Dromedaren und lehmgelben Eseln es ist der Lössstaub aus dem auch die Häuser und Bewässerungskanäle geformt werden Leben wie Tod aus Staub in
    Balch
    der einstigen Mutter der Städte deren Außenmauern wie halb abgetragene Dünen oder zerfallende Mauern und Türme von Termitenbauten daran erinnern dass Dschingis Khan schon vor 800 Jahren die Stadtzerstörte und schleifen ließ in der Alexander vor 2300 Jahren geheiratet hatte
    uralte morsche in Stücke gehauene abgeschliffene in den Staub zurücksinkende Städte
    uralte fürchterliche Eroberer aus dem Osten
    der Weltverbrenner
    die Geißel Gottes die Sengende Sonne Satans
    Dschingis Khan
    dem Timur Leng folgte Tamerlan der Hinkende verschonte die Dichter Denker Kunsthandwerker Architekten (tauchte deshalb vielleicht bei Goethe und Hafis auf) ersäufte aber ihre Städte in Blut errichtete riesige Paläste Moscheen traumhafte gigantische Bauwerke auf der Schleifspur unausgesetzter chaotischer Feldzüge die sich durch Persien zogen bis hinunter nach Bagdad und den Tigris füllten mit
    Blut und Büchern
    vor der Moschee von Balch erhebt uns die Schönheit aus dem eisigen trostlosen Schlick der Umgebung ein wahres Tortenwunder von Fayencekuppel Stein gewordene filigrane türkisblaue Sprühsahne der Jahrhunderte
    ein Hahnenkampf im Morast darum im Kreis zweihundert Männer mit Turbanen und pyjamaähnlich gestreiften Kaftanen
    die Schönheit die Früchte
    Afghanistans denke nicht nur an Sandwüsten Felsschluchten wahnsinnige Verwerfungen von Schnee Eis Staub Schlamm Gestein Lehm sondern auch an
    Brombeeren Mandeln
    Granatäpfel Weintrauben Aprikosen all die
    gerühmten Früchte zweitausend Jahre lang in so vielen Versen duftend (besingt die Früchte anstelle der Despoten) das köstliche Innere Afghanistans stämmige dickpelzige Dromedare stapfen durch Flüsse die in der Kälte dampfen steigen auf endlosen Bergpfaden empor durch vereiste Scharten über Felsplateaus und weiße Mondlandschaften beladen mit Bleikisten darin die in Schnee gelagerten berühmten Melonen die man nach Indien brachte weil ihr Geschmack den Kaiser
    vor Glück
    zum Weinen gebracht haben soll
    du kommst zur Tür herein
    aus der dünnen blauen Nachtluft im Hindukusch du kämest zur Tür herein an jedem Ort es würde mir nichts helfen nichts
    zu denken etwa
    indem ich allein reiste ohne Bücher ohne Schrift wie ich es mir oft vorstelle als fahrenden Untergang (nachts in der Lexington Avenue vor einem mit Tageslichtbirnen in den gleißenden ewigen Sonnenschein des Paradieses gestrahlten Obststand: Hey, what’s up man? You’re looking tired. Take an apple. It’s free.) Vögel Blumen Früchte
    Harlekine der Zeit
    in der unerbittlichen übermenschlichen Kraft der Räume das elende Bergdorf in Nuristan in das ich ohne dich käme (einmal hätte kommen können heute würde ich wohl bald entführt und der Deutschen Botschaft zur Last gelegt werden was soll dieser Planet voll idiotischer Krimineller weshalb soll man ihn beherrschen)
    ohne euch
    möchte ich sagen und schließe in die unvereinbare kindliche zitternde nächtliche dumme Verschmelzung von Amanda Sabrina und Luisa jeden von mir geliebten Menschen ein
    es ist nichts weiter
    als eine alte romantisch falsche Intellektuellensehnsucht nämlich an einen Ort der völligen
    Abweisung
    (von Sprache von Nähe von Verantwortung)
    zu kommen vier- fünftausend Meter über dem nicht vorhandenen Meer an einen Ort an dem die Welt mit Fels und Eis vernagelt ist
    in den siebziger Jahren den Jahren vor der sowjetischen Invasion sah ich solche Orte in den Fotoalben meiner Freunde
    kopfschüttelnd
    außerstande zu begreifen was sie

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