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September. Fata Morgana

Titel: September. Fata Morgana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Lehr
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endlich danach frage das sei ein Autor des
    Desasters
    der davon ausgehe dass wir uns schon immer im großen Unglück befänden obgleich uns das Desaster auch niemals wirklich zu erreichen scheine – ach was
    mit dir
    bin ich glücklich gewesen
    in einem unglücklichen Land
     
    Rarität
     
    Ach, Gelegenheit und Liebe
    verloren sich für manches Paar.
    Bei uns die Nacht wurd’ nur zum Diebe
    an dem Tag, der unser war.
     
    Jede Zeit bliebst Du gefunden,
    Herz vorm Auge, klage nicht.
    Was andre kaum dem Tod entwunden,
    streift’ ich als Tau vom Morgenlicht.
     
    Lacht nur über mich, den Narren,
    der nur die eine Frau gewann.
    D e r Liebe braucht ihr nicht zu harren,
    die der klügste Gott ersann.

 
    Martin
     
    Sonntag 8.9.2002 früher Morgen in der fast stillen Amsterdam Avenue
    ich schreibe in mein Wühl-Buch oder Wut-Buch ( Lebt man denn, wenn andre leben? ) Stammelsätze eines
    Bescheid-wissen-Wollens
    von Verstehen-Wollen kann keine Rede sein ich suche nur (eben nur) solche Antworten die (auch) mir genügen meiner wütenden fassungslosen oft aber nur noch erschöpft vorantaumelnden Suche die nicht ablassen kann Seymour sagte mir dass man sie
    MOLCHE
    oder SCHWEINE (pigs)
    nennt
    jene automatischen Untersuchungs- und Reinigungssysteme die man in Öl-Pipelines einsetzt damit sie in langsamer zäher Fahrt unter Luftabschluss gewissenhaft den Zustand der Rohrsysteme prüfen Millimeter für Millimeter in den vereisten Steppenlandschaften der sibirischen Tundra ich reise (ausgestopft mit blinkendem High-Tech umfangen von Dunkelheit stets am Rand des Erstickens) in meiner Tunnelröhre nach
    Afghanistan
    heute Nacht wieder und jetzt vor den aufgeschlagenen Büchern vielleicht nur weil ich mit Seymour am Telefon darüber gesprochen hatte vielleicht nein bestimmt auch weil mich unser Plan heute (am Sonntag) Vormittag gemeinsam zu joggen mit Panik erfüllt ich erinnere mich gut an den März 2001 als die Taliban die Buddha-Statuen von Bamiyan zerstörten (mein Fernsehblick und nicht die auf die Knochen und ins Herz gehende Sicht von einer eisverkrusteten Ebene aus hinauf zu der gewaltigen Felssperre im Hindukusch vor der die 35 und 50 Meter hohen Statuen in ihren Nischen nur wie träumende steinerne Weltsoldaten inkleinen Wachhäuschen wirkten) ich sah die Barbarei und verstand den Hass nicht und
    ebenso wenig konnte ich mir ein halbes Jahr später erklären weshalb die Presse und die US-Regierung so schnell Osama bin Laden in seinem afghanischen Terroristen-Camp als Drahtzieher hatten ausmachen können (der alte Bekannte der er für sie tatsächlich auch war)
    all die plötzlich klar erkenntlichen so schockierend breit und deutlich aufgezeigten Verbindungen nach Afghanistan
    als hätten wir LAIEN jahrelang die Pfeiler von Autobahnbrücken in unseren Gärten übersehen
    mühsam fasste ich wieder erste klare Gedanken (knapp vier Wochen nach dem Attentat) schon fielen amerikanische Bomben auf den Tora-Bora-Höhlenkomplex in Nangahar ( Enduring
    freedom )
    und Ende November tagte die Afghanistan-Konferenz auf dem Petersberg bei Bonn und ich dachte weshalb in Deutschland um dann etwas über die Expedition von Niedermayer und von Hentig zu erfahren die im Jahre 1915 den Emir Habibullah überzeugen sollte gegen Russland und Britisch-Indien in den Krieg zu ziehen (vergeblich) 1924 war die deutsche Nejat-Oberrealschule in Kabul gegründet worden die sich zu einer Kaderschule der afghanischen Elite entwickelte 1937 kam es zur Einrichtung einer direkten Lufthansa-Flugverbindung Berlin-Kabul man baute Dämme Brücken Siemens-Hydroenergie-Anlagen herzliche Verbindungen der wahren Arier mit den noch wahreren (Ur-) Ariern die zunächst wohl gar nichts von ihrem rassischen Glück wussten
    als ich in Berlin an meiner Doktorarbeit zu schreiben begann besuchte ich hin und wieder ehemalige Kommilitonen ein Pärchen das es dank einer Erbschaft zu einem Reihenhaus in Lankwitz gebracht hatte und zu der reichlich genutzten Möglichkeit ohne Geldsorgen weite Reisen auf Globetrotter-Niveau zu unternehmen ich betrachtete verständnislos einen roten fusseligen Wandteppich einen Kopfschmuck aus Goldmünzen verbeulte Teekessel und versilberte Wasserpfeifen Mitbringsel einer zweimonatigen Reise durch Afghanistan und sie verstanden genauso wenig
    weshalb ich bald in die USA gehen wollte auch wenn der Vietnamkrieg jetzt beendet war erst als sie einige Studenten des Berlin-Programms der Stanford-University kennenlernten glaubten sie zu

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