Septimus Heap 03 - Physic
zweifellos zu den besten in der Burg gehört – du hättest mal Gringes Gesicht sehen sollen, als ich ihm davon erzählte –, werde ich nicht zulassen, dass mir die Figuren wieder davonlaufen! Aus einem versiegelten Raum kommen sie nicht so schnell heraus.«
Sarah Heap seufzte. Seit sie in den Palast gezogen waren, hatte Silas seinen Beruf als Gewöhnlicher Zauberer praktisch aufgegeben und frönte nur noch verschiedenen Hobbys – und zu ihrem Leidweisen besonders ausgiebig dem Brettspiel Burgenschach.
»Du weißt, dass ich es nicht gerne sehe, wenn du versiegelte Räume öffnest, Silas«, schimpfte Sarah. »Sie sind nicht ohne Grund versiegelt, besonders versteckte Dachkammern. Erst letzten Monat haben wir im Kräuterverein darüber gesprochen.«
Silas lachte spöttisch auf. »Ha! Was verstehen denn diese Kräutertanten von Zauberei? Nichts!«
»Na schön, Silas. Im Moment bist du auf dem Speicher bei deinen blöden Figuren vermutlich sowieso sicherer.«
»Ziemlich«, sagte Silas. »Ist noch Kuchen da?«
»Nein, du hast dir gerade das letzte Stück genommen.« Eine angespannte Stille trat ein, und in der Stille glaubte Jenna in der Ferne Lärm zu hören.
»Hört ihr das?«, fragte sie, stand auf und blickte aus einem der großen Fenster, die auf den Platz vor dem Palast hinausgingen. Die Zufahrt war von Fackeln erleuchtet, und das große Palasttor war, wie immer nachts, verschlossen. Doch draußen vor dem Tor hatte sich eine Menschenmenge versammelt. Die Leute schlugen Mülleimerdeckel aneinander und riefen: »Ratten, Ratten, Kampf den Ratten. Ratten, Ratten, Tod den Ratten!«
Sarah trat zu Jenna ans Fenster. »Das sind die Rattenwürger«, sagte sie. »Was wollen die denn hier?«
»Nach Ratten suchen, nehme ich an«, sagte Silas, den Mund voller Apfelkuchen. »Hier gibt es eine Menge. Ich glaube, wir hatten heute Abend eine in der Suppe.«
Die Sprechchöre der Rattenwürger wurden schneller: »Ratzenfalle, Ratzenfalle, ratsch, ratsch, ratsch! Ratzenfalle, Ratzenfalle, ratsch, ratsch, ratsch!«
»Die armen Ratten«, sagte Jenna.
»Dabei sind es gar nicht Ratten, die diese Seuche verbreiten«, sagte Sarah. »Ich habe gestern im Spital geholfen. Die Bisse stammen eindeutig nicht von Ratten. Ratten haben mehr als einen Zahn. Oh, sieh mal, sie rennen von der Straße zu den Unterkünften der Dienstboten. Ach du liebe Güte!«
Bei diesen Worten kam Bewegung in die Nachtmahlserviererin. Sie raffte das Geschirr zusammen, zog Silas das letzte Stück Apfelkuchen unter der Nase weg und stürmte aus dem Saal. Ein Klirren verriet, dass sie die Teller in den Müllschlucker warf, der in die Küche darunter führte. Dann rannte sie in ihr Dienstbotenzimmer, um nach Percy, ihrer Hausratte, zu sehen.
Danach dauerte das Abendessen nicht mehr lange. Sarah begab sich mit Silas in ihren kleinen Salon im hinteren Flügel des Palastes, wo sie einen angefangenen Roman zu Ende lesen musste und Silas fleißig an einem Buch mit dem Titel Die zehn besten Burgenschach-Tipps schrieb, an das er große Hoffnungen knüpfte.
Jenna beschloss, auf ihr Zimmer zu gehen und ebenfalls zu lesen. Sie war gerne für sich, und es machte ihr Spaß, allein im Palast herumzuwandern, ganz besonders nachts, wenn Kerzen in den Korridoren lange Schatten warfen und viele alte Geister erwachten. In der Nacht wirkte der Palast nicht mehr so verlassen wie am Tag und wurde wieder zu einem Ort geschäftigen Treibens. Die meisten Alten zeigten sich Jenna und nutzten gern die Gelegenheit, mit der Prinzessin zu schwatzen, auch wenn viele nicht mehr genau wussten, welche Prinzessin sie eigentlich war. Jenna unterhielt sich gern mit ihnen, obwohl die Geister dazu neigten, jede Nacht dasselbe zu sagen, und sie daher die meisten Gespräche schon nach kurzer Zeit auswendig kannte.
Jenna erklomm die breite geschwungene Treppe zur Galerie, die oben an der Halle entlangführte, und blieb stehen, um mit dem Geist einer alten Gouvernante zu plaudern, die einst zwei junge Prinzessinnen erzogen hatte und auf der Suche nach ihren Schützlingen Nacht für Nacht durch die Gänge streifte.
»Guten Abend, Prinzessin Esmeralda«, grüßte die Gouvernante, die wie stets ein besorgtes Gesicht machte.
»Guten Abend, Mary«, antwortete Jenna, die es längst aufgegeben hatte, Mary zu sagen, dass sie eigentlich Jenna hieß, weil es nicht das Geringste nützte.
»Ich sehe mit Freuden, dass du immer noch gesund und wohlauf bist«, sagte die Gouvernante.
»Danke, Mary«,
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