Septimus Heap 03 - Physic
die Luft gereckt, an ihm und Gringe vorbei zur Tür hinausmarschiert. Die Königin und ihr Aie-Aie haben sie keines Blickes gewürdigt, denn sie haben Wichtigeres zu tun – und nach langem Warten endlich auch die Gelegenheit dazu.
* 1 *
1. Snorri Snorrelssen
S n orri Snorrelssen steuerte ihr Handelsboot das nach ihrer Mutter, der es gehörte, Alfrun hieß – das ruhige Wasser des Flusses hinauf in Richtung Burg. Es war ein diesiger Herbstnachmittag, und Snorri war froh, dass sie die aufgewühlten Tidengewässer vor der Stadt Port hinter sich hatte. Der Wind war abgeflaut, blähte das große Segel des Bootes aber noch genug, sodass sie sicher um den Rabenstein herumsteuern und die Anlegestelle direkt hinter Sally Mullins Tee- und Bierstube anlaufen konnte.
Zwei junge Fischer, nicht viel älter als Snorri selbst, waren soeben von einem erfolgreichen Heringfang zurückgekehrt und fingen nur zu gern die schweren Hanftaue auf, die Snorri an Land warf. Darauf erpicht zu zeigen, was sie konnten, wickelten sie die Taue um zwei dicke Poller am Kai und machten die Alfrun fest. Und sie gaben Snorri allerlei ungebetene Ratschläge. Wie sie das Segel einholen oder wie sie die Leinen aufschießen sollte. Aber Snorri beachtete sie nicht, teils weil sie kaum verstand, was sie sagten, hauptsächlich aber weil sich Snorri Snorrelssen von niemandem sagen ließ, was sie zu tun hatte – von niemandem , nicht einmal von ihrer Mutter. Von ihrer Mutter schon gar nicht.
Snorri war groß für ihr Alter, schlank, drahtig und erstaunlich kräftig. Mit der Übung und Fertigkeit von jemandem, der zwei Wochen lang allein übers Meer gesegelt war, holte sie das große Segel nieder und rollte das schwere Tuch zusammen, dann legte sie die Leinen zu sauberen Ringen übereinander und zurrte die Ruderpinne fest. Da sie sich bewusst war, dass die Fischer sie beobachten, verschloss sie die Luke zum Laderaum, der gefüllt war mit schweren Ballen dickem Wollstoff, Säcken voller Einmachgewürze, großen Fässern Pökelfisch und einem Paar besonders schöner Rentierlederstiefel. Schließlich schob sie, wieder ohne die angebotene Hilfe anzunehmen, die Laufplanke ans Ufer und balancierte an Land. Ullr, ihre kleine rote Katze mit schwarzer Schwanzspitze, blieb an Bord zurück. Sie sollte übers Deck streifen und Ratten fernhalten.
Nach über zwei Wochen auf See hatte sich Snorri darauf gefreut, wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen. Doch als sie nun über den Kai schritt, hatte sie das Gefühl, sie sei noch auf der Alfrun , denn der Boden schien unter ihr zu schwanken, wie es das alte Boot getan hatte. Die Fischer, die eigentlich längst zu Hause bei Muttern sein sollten, hockten auf einem Haufen leerer Hummerreusen. »N’ Abend, Miss«, grüßte einer laut.
Snorri würdigte ihn keines Blickes. Sie ging bis zum Ende des Kais und bog dann in einen ausgetretenen Pfad ab. Der Pfad führte zu einer nagelneuen großen Schwimmbrücke, auf der ein Cafe thronte. Es war ein sehr elegantes zweistöckiges Holzhaus mit langen, niedrigen Fenstern, die auf den Fluss hinausgingen. Mit dem warmen gelben Licht, dass von der Decke baumelnde Öllampen verströmten, sah das Cafe in der kühlen Luft dieses frühen Abends einladend aus. Als Snorri den Holzsteg überquerte, der zu dem Ponton führte, konnte sie es kaum fassen, dass sie endlich hier war – in Sally Mullins berühmter Tee- und Bierstube. Freudig erregt, aber auch sehr nervös, stieß sie die Flügeltür zum Cafe auf und stolperte beinahe über eine lange Reihe von Löscheimern, die mit Sand oder Wasser gefüllt waren.
Sally Mullins Cafe war stets vom Gemurmel angeregter Unterhaltungen erfüllt, doch in dem Augenblick, als Snorri über die Schwelle trat, verstummte das Stimmengewirr sofort, als hätte jemand mit der Peitsche geknallt. Wie ein Mann setzten die Gäste ihre Gläser ab und glotzten die junge Fremde an, denn sie trug die typische Kleidung der Hanse, der auch die Nordhändler angehörten. Snorri, die spürte, wie sie errötete, und sich maßlos darüber ärgerte, ging trotzig weiter zur Theke, fest entschlossen, ein Stück von Sallys Gerstenkuchen und einen Halbliterkrug Springo Spezial Ale zu bestellen, von denen sie schon so viel gehört hatte.
Sally Mullin, eine kleine, rundliche Frau mit Sommersprossen und Gerstenmehl auf den Wangen, kam eilfertig aus der Küche. Doch als sie die dunkelrote Nordhändlertracht und das typische Lederstirnband sah, verfinsterte sich ihre
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