Serafinas später Sieg
mer schimmerten in der Morgensonne wie Seide. Serafina winkte den Menschen, die sie seit ihrer Geburt kannte, und sie winkten zurück und warfen ihr Blumen zu. Alles erschien ihr gestochen scharf – als wolle diese Szene sich für immer in ihr Gedächtnis einprägen. Als sie die Gabrielle erreichten, hob Angelo Serafina aus dem Sattel und küßte ihre Wangen und ihre Hände. Graziös lüftete sie ihre Röcke ein wenig, damit sie nicht durch den Staub schleiften, und schritt an der Seite ihres Vaters die Gangway hinauf.
Als die Galeere ablegte, stand sie an der Reling und winkte Marthe und Angelo und allen anderen zu, die sich zur Verabschiedung versammelt hatten. Später, als nur noch das Klatschen der Ruder zu hören war und nichts mehr zu sehen als Wasser und Felsen, nahm sie insgeheim noch einmal Abschied von den weißen Hügeln ihrer Heimat, den Schmetterlingen und den Blumen. Das Ende des Sommers erschien ihr unerreichbar fern. Würde sie wirklich zurückkehren?
Sie segelten an der Küste entlang und legten immer wieder in Häfen an. So konnte Franco Guardi auch unterwegs Handel treiben. Die Mignon und die Petit Cœur waren Koggen – kleine, plumpe Rundschiffe –, doch die Gabrielle war eine Zweimastgaleere, fünfzig Schritt lang und graziös und glitzernd wie eine Libelle.
Serafina stand an der Reling und beobachtete das rhythmische Eintauchen der Ruder. Die Salzluft überlagerte die unangenehmen Gerüche, die von unten heraufstiegen. Das Auf und Nieder der Ruder hatte eine fast hypnotische Wirkung. Die Sonne brannte unbarmherzig herunter. Der enge Kragen von Serafinas Kleid scheuerte ihren Hals auf, die Ränder des steifen Korsetts, das ihre nichtvorhandenen Brüste hochschieben sollte, gruben sich in ihr Fleisch. Sie hätte sich gerne gekratzt, doch sie beherrschte sich. Sie war kein Kind mehr, sondern eine Frau – eine bald verlobte Frau!
Sie sah den Zahlmeister mit ihrem Vater sprechen, und dann ließ sie den Blick zu der Mignon und der Petit Cœur wandern, die im Kielwasser der Gabrielle dahinschaukelten. Sie schaute zu den der Küste vorgelagerten Inseln hinüber, die im Rhythmus der Ruderschläge und der Wellen auf und ab zu tanzen schienen.
Und dann mußte sie plötzlich die Augen schließen und sich an der geschnitzten Reling festhalten. Kalter Schweiß erschien auf ihrer Stirn, ihre Hände waren heiß und feucht. Serafina konnte es nicht glauben, sie, in deren Adern Meerwasser floß, war seekrank! Sie überlegte, ob sie Mathilde rufen lassen sollte, entschied sich jedoch dagegen. Für das Mädchen war es die erste Seereise, und sie lag unten in der Messe auf den Knien und betete zu allen Heiligen, die ihr einfielen. In diesem Zustand könnte sie Serafina keinen Beistand leisten.
Sie biß die Zähne zusammen, ließ die Reling los und ging mit festen Schritten zum Achterdeck, wo unter einer Seidenmarkise ein Ruhelager aus Kissen für sie hergerichtet war. Der gestreifte Stoff schützte sie zwar gegen die Sonne, doch die bohrenden Kopfschmerzen, die sich seit gestern hartnäckig hielten, quälten Serafina noch mehr als das grelle Licht. Sie legte sich in die verschwenderische Kissenfülle zurück und schloß die Augen. Und dann begann auf einmal ihr Handgelenk zu jucken. Als sie den engen Ärmel etwas hochschob, entdeckte sie einen Ring roter Pusteln. Ein Hitzeausschlag, dachte sie und wurde von einer verzweifelten Sehnsucht nach Marthe ergriffen: Ihre alte Amme hätte ihre Beschwerden lindern können. Doch gleich darauf rief sie sich zur Ordnung. Nur Kleinkinder brauchten ein Kindermädchen – sie war erwachsen! Sie setzte sich kerzengerade auf, blickte starr auf den Horizont – und entdeckte ein fremdes Schiff! Sie erkannte sofort, daß es sich um eine Galeere handelte, deren Länge und schmalerer Bug die arme Gabrielle geradezu plump wirken ließen. Serafina hörte, daß der Zahlmeister ihrem Vater, der beim Hauptmast stand, etwas zurief. Franco Guardi drehte sich um, beschattete seine Augen mit der Hand und antwortete: »Ja – offenbar eine venezianische. Sehen Sie sich die Wimpel an.«
Serafina zog sich an einem der Pfosten hoch, die ihr Sonnenzelt trugen, und kniff die Augen zusammen. Die Galeere kam mit hoher Geschwindigkeit aus östlicher Richtung auf die Guardi-Schiffe zu. Sie war reich geschnitzt und verschwenderisch mit Gold verziert. Serafina erkannte den Löwen von San Marco auf dem dreieckigen Segel. Die Hitze, das gleißende Licht und das Rollen der Gabrielle machten sie
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