Die Hölle im Pardadies-Club ROTE LATERNE Band 11 (Rote Laterne Liebesroman) (German Edition)
Emmi Häusler war gebürtige Sächsin. Daher nannte man sie im Paradies-Club nur „Sachsen-Emmi“. Seit vier Jahren putzte Sachsen-Emmi das Haus. Die Bezahlung war wohl recht anständig, aber es hätte bessere Verdienstmöglichkeiten gegeben, wenn Emmis Vorleben dementsprechend gewesen wäre. Mit insgesamt ein paar Jährchen Knast wegen kleiner Gaunereien wurde man eben nirgendwo genommen. Immer wieder von Neuem hatte sich Emmi geschworen, nie wieder zu klauen. Aber warum mussten die ihr die Leute auch alles immer wieder vor die Nase legen …?
An diesem Freitagmorgen waren die Zimmer der Mädchen dran, die im ersten Stock der ehemaligen Herrschaftsvilla lagen. Vera Janowicz, eine emigrierte Polin, hatte das Haus günstig erstanden und einen Privatclub etabliert, der in der Stadt als Geheimtipp gehandelt wurde. Für die schwergewichtige Vera mit den gewitzten Geschäftsideen war es leicht gewesen, eine öffentliche Schankerlaubnis zu bekommen. Somit entstand im Untergeschoss eine intime Bar, in der sich nachts ein recht illustres Publikum einfand.
Sachsen-Emmi schleppte ihre Putzsachen heran, als die massige Vera unausgeschlafen ihre Privaträume verließ und in die Küche ging. Vera musste einmal eine hübsche Frau gewesen sein. Nun konnte man ihr Alter schwer schätzen. Ein bewegtes Leben hatte seine Spuren im Gesicht hinterlassen. Ohne reichliches Make-up durfte sich Vera Janowicz keinem Kunden zeigen.
»Na, mach mal ein bisschen!«, knurrte Vera. »Heute ist Freitag. Da geht es früher los ...«
»Was soll ich denn machen«, brummte Emmi in ihrem breiten Sächsisch zurück. »Sie stehn doch immer so spät auf, die Damen!«
»Wirf die Menscher aus dem Bett!«, befahl die Clubbesitzerin. »Es ist längst Zeit! Sonst wirst du oben wieder nicht fertig!«
»Werde mich schon beeilen«, versicherte die zerknitterte Alte diensteifrig. »Schließlich will ich noch Kaffee trinken.«
Damit nahm sie Eimer, Lappen und Schrubber und ächzte die Treppe hinauf. Vera Janowizc sah ihr kopfschüttelnd nach. Sachsen-Emmi gehörte nicht zu den Fleißigsten. Doch für diesen Lohn arbeitete eine andere nicht.
Oben angekommen lauschte Emmi. Alles war still.
»Eigentlich schade, dass ich die Mädchen aufwecken soll, wo sie doch so schön schlafen«, murmelte die Alte. »Ich werd noch 'ne Zigarette rauchen. Bis dahin wird Elvira aufgestanden sein. Sie ist ja immer die erschte.«
Sachsen-Emmi zerrte ein zerknautschtes Zigarettenpäckchen aus der Kittelschürze, fand in der anderen Tasche das Billigfeuerzeug und zündete sich schließlich eine Zigarette an. Einen Moment stand sie so am im Flurfenster und starrte in den tristen, regnerischen Park hinaus, der sich hinter dem Haus befand und einen ziemlich ungepflegten Eindruck machte.
Dann schlurfte Emmi auf das Badezimmer zu. Missmutig stieß sie die Tür auf und betrat den Raum. Er war düster. Eines der Mädchen musste vergessen haben, die Jalousien hochzuziehen. Emmi wollte das nachholen und versuchte, zum Fenster zu gehen. Sie stolperte, fing sich am Badewannenrand und fluchte vor sich hin. Als sie sich umdrehte, sah sie im Licht, das vom Flur hereinfiel, eine menschliche Gestalt auf dem Boden.
»Ach Gottchen!«
Im Nu war sie am Lichtschalter. Sachsen-Emmi presste die Hand vor den Mund. Auf den Fliesen lag ein junges Mädchen. Es war nur mit Slip und BH bekleidet. Das lange, schwarze Haar lag fast wie ein Kranz um den Kopf des Mädchens; die Augen waren geschlossen, und um den Hals zeigte sich eine merkwürdige Verfärbung.
Emmi stolperte rückwärts aus dem Badezimmer. Am Ende des Ganges öffnete sich rechtzeitig eine Tür, aus der ein überschlankes, rothaariges Wesen mit bleichem Gesicht trat. Elvira Kunstmann war aufgestanden.
»Geh da nicht rein!«, röchelte Sachsen-Emmi. Schließlich lief sie die Treppe hinab. Als sie im Flur stand, hörte sie oben den grellen Schrei. »Dumme Gans«, murmelte sie und rannte in die Küche.
»Sind die Menscher schon wieder hysterisch?«, fragte die Bordellbesitzerin ungehalten. Sie kaute lustlos an ihrem Brötchen.
»Maria ist tot!«
»Waaas?« Vera sprang auf.
»Sie liegt im Badezimmer, halb nackt. Sie ist tot, Frau Janowicz!«
»Red keinen Unsinn!«, schnauzte Vera abgebrüht. »Wahrscheinlich war das Flittchen wieder besoffen und ist eingeschlafen. Man musste ihr mal eins auf die Schnauze geben ...«
»Chefin, die Schneider ist hin!« brüllte Elvira. Sie kam in ihrem Negligé in die Küche gestürzt. »Sie liegt
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