Serial
genug.
Die wirklich cleveren trampen erst gar nicht.
» Für die nächsten paar hundert Kilometer habe ich noch genügend im Tank.« Donaldson nahm seine Cubs-Baseballmütze ab und fuhr sich mit der Hand durch seine schütteren grauen Haare. Eine weitere Taktik, um sein Opfer in Sicherheit zu wägen. Niemand hatte Angst vor dem großväterlichen Typ. » Wenn du mir versprichst, nicht das Singen anzufangen, kannst du meinetwegen gerne mitfahren.«
Brett lächelte, hievte sich den Rucksack auf die Schultern und folgte seinem Fahrer über den Parkplatz. Donaldson schloss den Wagen auf, und der Junge warf seinen Rucksack auf die hintere Bank des schwarzen Honda Accord aus dem Jahr 2006. Er stockte kurz, als er die Plastikbezüge auf den Vordersitzen sah.
» Mein Hund Neil fährt sonst immer mit«, erklärte Donaldson und zuckte mit den Achseln. » Ich mag es nicht, wenn überall Hundehaare herumfliegen.«
Brett schien noch immer nicht überzeugt zu sein, bis er das Foto am Armaturenbrett bemerkte. Donaldson zusammen mit einem Langhaardackel.
» Der verliert Haare wie wahnsinnig«, fuhr Donaldson fort. » Wenn du dir jemals einen Hund zulegen solltest, nimm einen kurzhaarigen!«
Das schien Brett als Erklärung zu reichen, denn er stieg endlich ein.
Donaldson hievte sich auf den Fahrersitz, und das Auto ächzte unter seinem Gewicht.
» Bitte anschnallen.« Er konnte es sich gerade noch verkneifen, mit der Zunge über die Lippen zu fahren. Dann löste er die Handbremse, ließ den Motor an und verließ den Parkplatz in Richtung Highway.
Die ersten zehn Minuten waren peinliches Schweigen. Das war schon immer so gewesen. Fremde blieben normalerweise Fremde. Wie oft kam man im Flugzeug oder in irgendeiner Schlange ins Gespräch? Nein, die Leute suchten keinen Kontakt– so fühlten sie sich sicherer.
Donaldson brach das Schweigen, indem er die üblichen Fragen stellte. Wo bist du zur Schule gegangen? Was arbeitest du? Wohin soll es gehen? Wann hast du das erste Mal getrampt? Sie kamen ins Gespräch, und schon bald begann Brett, mehr über seinen Fahrer wissen zu wollen.
» Und wie heißen Sie?«, wollte er wissen.
» Donaldson.« Warum hätte er lügen sollen? Brett würde nicht mehr lange am Leben bleiben, um ihn zu verraten.
» Und als was arbeiten Sie, Mr. Donaldson?«
» Ich bin Kurier.«
Donaldson nahm einen Schluck von dem koffeinierten Zuckerwasser aus dem riesigen Becher, der in dem Tassenhalter am Armaturenbrett steckte, ehe er Brett den Becher anbot, der aber dankend ablehnte. Hat wahrscheinlich Angst vor Bakterien, dachte Donaldson und lächelte. Das sollte die geringste seiner Sorgen sein.
» Sie liefern also Pakete aus?«
» Ich liefere alles aus. Manchmal ist es einfach zu knapp für eine Sendung über Nacht, und die Leute zahlen einen Aufpreis, um die Ware noch am gleichen Tag zu erhalten.«
» Um was für Sachen handelt es sich da?«
» Alles, was man sofort braucht. Urkunden, Dokumente, Autoteile und so. Ein Diabetiker vergisst sein Insulin, ein anderer verliert seine Brille und kann ohne nicht nach Hause fahren, ein Kind braucht sein Cello für ein Konzert, oder eine Niere muss zum nächsten Patienten. Das ist übrigens, was ich gerade dabeihabe.«
Donaldson wies mit dem Daumen über seine Schulter und zeigte auf den Boden vor der Rückbank. Brett drehte sich um und sah einen Kühlcontainer, der mit einem offiziell anmutenden Aufkleber versehen war.
» Echt? Da ist eine Niere drin?«
» Noch nicht, die muss ich erst holen.« Donaldson zwinkerte dem Jungen zu. » Übrigens, welche Blutgruppe hast du?«
Der Tramper kicherte nervös, und Donaldson stimmte mit ein.
Vor ihnen lag ein langes, einsames Stück Straße. Es war weit und breit kein Auto zu sehen.
» Hört sich wie ein interessanter Job an«, meinte Brett.
» Ist es auch. Perfekt für einen Einzelgänger wie mich. Aber es ist auch nett, immer wieder mal Gesellschaft zu haben. Wird schon einsam so ganz allein auf der Straße.«
» Und was ist mit Neil?«
» Neil?«
Brett zeigte auf das Foto am Armaturenbrett. » Ihr Hund. Sie haben doch gesagt, dass er ab und zu mitfährt.«
» Ach so. Neil– natürlich. Das ist trotzdem nicht das Gleiche, wie einen Menschen dabeizuhaben. Verstehst du, was ich meine?«
Brett nickte und schielte auf die Tankanzeige.
» Sie haben nur noch einen viertelvollen Tank.«
» Ehrlich? Ich dachte, ich hätte vor kurzem erst aufgefüllt. Bei der nächsten Gelegenheit halten wir an, und ich nehme
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