SGK300 - Die Gedankenmörder kommen
gesehen.
Der Mann sah furchterregend aus und war nur noch Schatten des Bildes,
das Kunaritschew mit dem Informationsmaterial aus New York erhalten hatte.
Coover war von der gräßlichen Krankheit ausgelaugt worden. Es
schien, als hatte er seit Jahren oder mindestens Monaten an der Auszehrung
gelitten.
Unvorstellbar, daß dieser Körper binnen weniger Stunden oder nur
Minuten - genau geklärt war dies noch nicht - so zerfallen war!
Alle diese Dinge gingen Iwan noch mal durch den Kopf, und er sah
auch das fahle, wächserne Antlitz des Toten vor seinem geistigen Auge, die
lange, spitze Nase, die wie ein Fremdkörper daraus hervorragte.
Es gab Gesichter, die man nicht vergaß. Das Bert Coovers gehörte dazu .
Obwohl Iwan Kunaritschew alias X-RAY-7 noch mal aufmerksam seinen
Blick in die Runde schweifen ließ, ehe er das gläserne Portal des Hochhauses
betrat, entging ihm der cremefarbene Ford Mustang, der mit dem Verkehrsstrom
vorbeizog.
In dem Auto saßen zwei Männer.
Ein großer, dunkelhaariger Mann mit schmalem Lippenbart und
stechenden Augen und ein kleinerer - breiter in den Schultern, mit kräftiger
Nase und einem Grübchen am Kinn - der den Wagen lenkte.
Der Fahrer steuerte den Ford Mustang in eine Seitenstraße, suchte
einen geeigneten Parkplatz und hielt.
»Jetzt wird’s ernst«, sagte der Untersetzte zu dem Hageren. »Ich
will genau wissen, was in Coovers Wohnung passiert, warum der Vollbart sich so
dafür interessiert. Bis hierher waren Julies Tips goldrichtig und genau
gewesen. Aber das Mädchen ist dann müde geworden .«
Der Hagere lachte anzüglich. »Kein Wunder! Ihr habt sie in den
letzten Tagen zu sehr strapaziert. Sie ist kaum zur Ruhe gekommen. Einmal
erschöpft sich auch die intensivste mentale Kraft .«
»Sie wird sich wieder erholen. Ein paar Tage Urlaub am Meer, nette
Gesellschaften, Tanz, gutes Essen und Trinken, ein paar Partys - so etwas
braucht sie hin und wieder - und sie lädt sich auf wie eine Batterie. Wenn wir
wissen, was der Bursche dort oben wirklich sucht, reicht das schon. Der Rest
ist ein Kinderspiel. Ihn zu töten bedarf es nicht mal eines Finger krumm
machen’s. Julie wird ihm die Pest schicken oder ihn platzen lassen, als hätte
er eine Bombe im Leib .«
*
Kunaritschew benutzte den Lift in die Etage, in der Coovers
Apartment lag.
Der Zeit nach mußten die Schwester des Schriftstellers und ein
Polizist, der den Auftrag hatte, das Siegel an der Tür zu entfernen, schon
eingetroffen sein.
Das Siegel fehlte auch.
X-RAY-7 betätigte den Klingelknopf. Deutlich vernahm er das
Geräusch hinter der Tür. Das Klingeln verebbte.
Keine Schritte, kein Türklappen - niemand kam
...
Die Ruhe in der Wohnung gefiel dem Agenten nicht.
Er klingelte ein weiteres Mal. Diesmal länger.
Nichts tat sich .
Aber es mußte jemand da sein! Hawker hatte ihn ausdrücklich wissen lassen, daß das polizeiliche Siegel erst dann
entfernt wurde, wenn Coovers Schwester die Wohnung betrat.
Ein Polizist würde sie begleiten.
Iwan Kunaritschew drückte gegen die Tür. Verschlossen!
»Dann geht’s wohl nicht anders«, murmelte er leise zu sich selbst.
»Immer wieder die gleichen Tricks, um vorwärts zu kommen .«
Er ging drei Schritte zurück. Das war die Breite des Korridors.
X-RAY-7 nahm einen Anlauf, spurtete scharf und schnell los und warf sich mit
ganzer Kraft gegen die Tür. Der erste Ansturm reichte.
Mit seinem Körpergewicht riß Kunaritschew die Tür aus dem Schloß.
Es krachte und knirschte, Holzspäne flogen durch die Luft, die Tür
flog mit lautem Knall gegen die Wand.
Iwan verzog unwillkürlich das Gesicht. Alle Nachbarn auf den Plan
zu rufen, war genau das, was er nicht wollte.
Zum Glück reagierte niemand.
In den umliegenden Wohnungen blieb alles ruhig.
Entweder waren diese Mieter nicht zu Hause oder hielten einen
ausgedehnten Mittagsschlaf, aus dem sie so leicht nicht erwachten. Der Russe
stolperte in die Wohnung und prallte wie vor einer unsichtbaren Wand zurück.
Auf dem Boden lag eine Gestalt, mit dem Gesicht zum Teppich . Der Polizist! Er bewegte sich nicht, atmete nicht mehr . Der Mann war tot!
Noch ehe Kunaritschew sich bücken und den Toten näher in
Augenschein nehmen konnte, hörte er leises, qualvolles Stöhnen. Jemand schien
entsetzliche Schmerzen zu haben und furchtbar zu leiden.
In der dämmrigen Wohnung - alle Vorhänge waren noch zugezogen -
wirkte dies alles nur noch unheimlicher.
X-RAY-7 wandte seine Aufmerksamkeit dem Stöhnen zu, das
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