Shadow Guard: So still die Nacht (German Edition)
leise.
Anderson hatte eine geschliffen ruhige Art, aber scharfe Augen, denen nichts entging. Zweifellos würde der stellvertretende Polizeichef jeden Gesichtsausdruck und jede verräterische Geste registrieren. Er würde die geringste Veränderung im Tonfall ihrer Stimmen wahrnehmen und versuchen, jedem noch so kleinen Hinweis nachzugehen, um die Umstände von Lucindas Tod aufzudecken.
»Also, wenn Sie mir bitte mitteilen würden …« Die Stimme des Polizeichefs wurde weicher. »Wann haben Sie beide Lady Trafford das letzte Mal lebend gesehen?«
Mark antwortete: »Gestern, auf unserer Hochzeit. Es war eine kleine, private Feier – nur Familie – hier im Haus.«
Mina nickte. »Wir haben nach der Zeremonie zu Mittag gegessen, und dann sind wir zu unseren … zu unseren Flitterwochen aufgebrochen.« Ihre Stimme wurde heiser, als sie das Wort »Flitterwochen« aussprach.
Mark zuckte innerlich zusammen. Er konnte und wollte nichts daran ändern, wie gnadenlos er sie verfolgt hatte, aber er bedauerte den Schmerz, den er ihr zugefügt hatte.
»Schien zu diesem Zeitpunkt mit Lady Trafford alles in Ordnung zu sein?«
»Ja«, erwiderte Mark.
Mina nickte.
»Keine Probleme zwischen Ihnen und Lady Trafford?«
»Nicht die mindesten«, antwortete sie.
Andersons Augen wurden schmal. »Keiner von Ihnen hat irgendetwas über … Spielschulden gehört?«
»Nein.«
»Treuebrüche?«
»Nein, Sir«, antworteten sie wie aus einem Mund.
Anderson nahm seine Notizen von dem Mahagoni-Sideboard und überflog sie schnell. »Soweit ich im Bilde bin, sind Sie, wie Sie mir gerade mitgeteilt haben, gestern zu Ihrer Hochzeitsreise an Bord von Lord Alexanders Yacht aufgebrochen – über Ihre Abreise ist mit Fotos heute Morgen in der Zeitung berichtet worden.«
Zwischen seinen Notizen zog er eine Zeitung mit mehreren abgedruckten Fotos hervor. Anderson reichte Mina die Zeitung. Mark schaute über ihre Schulter. Der Fotograf hatte Minas Gesicht in seinem liebreizendsten und optimistischsten Ausdruck eingefangen. Sein eigenes Gesicht war auf den Fotos von der Krempe seines Huts verborgen.
Anderson fuhr fort. »Offensichtlich hat irgendein Missgeschick Sie kurz vor Ihrem Aufbruch dazu gezwungen, Ihre Pläne aufzugeben und hierher zurückzukehren.«
»Eine der Maschinen des Schiffs ist explodiert«, erklärte Mark.
Anderson strich einige Zeilen durch. »Um wie viel Uhr sind Sie wieder hier eingetroffen?«
»Es war schon sehr spät, bis die Yacht endlich ins Dock geschleppt war«, antwortete Mark. »Wir sind nicht vor … vielleicht ein Uhr morgens? … ins Haus zurückgekehrt.«
»Ungefähr«, bestätigte Mina leise, »obwohl ich nicht behaupten kann, dass ich besonders auf die Zeit geachtet hätte«
»Haben Sie bei Ihrer Rückkehr mit Lord Trafford oder Lady Trafford gesprochen? Oder mit einer seiner Töchter?«
»Sie waren noch nicht von ihrer Abendeinladung zurückgekehrt. Wir sind nur von Dienern begrüßt worden. Meine Frau und ich haben uns direkt für die Nacht zurückgezogen.«
»Ich hörte, dass Ihr Fenster auf den Innenhof geht. Hat einer von Ihnen in der Nacht irgendwelche eigenartigen Geräusche gehört, die entweder auf Gewalttätigkeit schließen ließen oder auf irgendetwas, das darauf hinweisen könnte, wann die Leiche abgelegt wurde?«
Beide schüttelten den Kopf.
Der Polizeichef rieb sich das Kinn. »Und hat einer von Ihnen irgendwann während der Nacht das Zimmer verlassen? Für eine Flasche Wein zur Feier des Tages? Einen spätnächtlichen Ausflug in die Küche? Irgendetwas?«
»Sir, wenn ich etwas sagen darf«, meldete sich Mina zu Wort.
Mark spannte sich an und wappnete sich gegen das, was sie vielleicht sagen würde.
Polizeichef Anderson nickte. »Natürlich, Mylady. Bitte, sprechen Sie ganz offen.«
Minas Gesichtsausdruck wirkte, wenn auch ernst, vollkommen friedlich. Ihr Blick scheute nicht vor dem des Polizeichefs zurück.
»Die gestrige Nacht war unsere Hochzeitsnacht. Ich bin mir sicher, Sie werden verstehen, wenn ich überaus nachdrücklich betone, dass mein Mann und ich die ganze Nacht zusammen waren, und aus Gründen, die Sie gewiss verstehen, haben wir weder irgendetwas außerhalb unseres Zimmers wahrgenommen noch haben wir es bis zum Morgen verlassen. Erst als wir den Aufruhr draußen bemerkt haben.«
Bildete Mark es sich nur ein oder errötete Anderson tatsächlich? Hölle, er verspürte eine ähnliche Wärme in seinen eigenen Wangen, aber eine, die von hoffnungsvoller Freude inspiriert
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